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Der dichtende Handwerksmeister

Lesedauer: 4 Minuten

Wilhelm Fischers Gedankenwelt und Erlebnisschatz

Wilhelm Fischer (1912 bis 1981), ein Name, der in den Geschichtsbüchern der Gemeinde Seelbach und darüber hinaus fest verankert ist. Von 1933 bis zu seinem Tod prägte der leidenschaftliche Handwerksmeister und Poet nicht nur das kulturelle Leben seiner neuen Heimat, sondern blieb auch in seinem Geburtsort Dörlinbach unvergessen. Seine Gedichte, Anekdoten und Erinnerungen an die alte Heimat sind ein wertvoller Schatz, den er mit viel Hingabe sammelte und bewahrte.eine Rücksicht“ auf Erinnerungen nahm. Was einst als beliebtes Fotomotiv und Wahrzeichen galt, hat nun ausgedient.
„S' Alte Polizeis“: Das Geburtshaus von Wilhelm Fischer am Unterrain in Dörlinbach. Heute steht an dessen Stelle ein Neubau.

Ein besonderer Teil von Fischers Erbe ist sein Heimatlied „Jo, dört isch mini Heimet“. Geschrieben am 2. März 1975 im Rahmen der Feierlichkeiten zu „750 Jahre Dörlinbach“, bringt dieses Lied die Liebe des Dichters zu seiner Geburtsstätte eindrucksvoll zum Ausdruck. Mit Melodien von Fritz Vieser wird der Refrain „Jo, dört isch mini Heimet, jo dört isch mini Heimet“ bis heute immer wieder einmal bei Festen und Feiern in Dörlinbach gesungen, was die Verbundenheit der Dorfbewohnerinnen und Dorfbewohner zu ihrer Heimat verdeutlicht. Den Text findet ihr im Dörlinbacher Heimatbuch (erschienen 1995) sowie auch in unserem Blog-Beitrag „Gedichte und Lieder“ vom 3. März 2022.

Fischer hinterlässt Seelbach ein Freilichtschauspiel zur Eröffnung des Katharinenmarkts. Zu Ehren Fischers wurde deshalb ein Gedenkstein im Klostergarten aufgestellt.
Außenwandgemälde in der Brandhalde (Anwesen Kaspar). Hans Buschs Erstlingswerk an Dörlinbachs Hauswänden, das er im August 1975 fertigstellte.
Fischer hinterlässt Seelbach ein Freilichtschauspiel zur Eröffnung des Katharinenmarkts. Zu Ehren Fischers wurde deshalb ein Gedenkstein im Klostergarten aufgestellt.
Am 20. Mai 1912 erblickte Wilhelm in Dörlinbach das Licht der Welt. Aufgewachsen als ältester von fünf Geschwistern, prägte die enge Beziehung zu seiner Mutter Paulina (1885 bis 1969) sein Denken und Handeln nachhaltig. Fischer selbst beschrieb in seinen späteren Aufzeichnungen, wie diese Beziehung ihn durch die Herausforderungen seiner Kindheit begleitete und formte.
Das Pseudonym Willi Dörlebach und seine frühen Jahre
Die Liebe führte Fischer 1933 nach Seelbach, wo er als Familienvater und Handwerksmeister zahlreiche berufliche Herausforderungen meisterte. Unter dem Pseudonym Willi Dörlebach humorvoll beschrieben, schilderte er in „Bitte, Ihr Beruf!“ die Höhen und Tiefen seines Lebens. Er thematisierte mit Hilfe seiner Feder auch die Fürsorge seiner Mutter, die Notjahre nach dem Ersten Weltkrieg und die Sorgen seines Vaters Andreas (1883 bis 1950) um das tägliche Überleben. All diese Erfahrungen flossen in seine künstlerische Arbeit ein und gaben seinem Schreiben eine besondere Tiefe.
Prosa, Nachdenkliches und Humorvolles aus der Feder Fischers
Fischers literarisches Schaffen während des Zweiten Weltkriegs ist bemerkenswert. Anfänglich noch patriotisch gefärbt, erkannte er schnell die Grauen des Krieges und begann, gegen die Zerstörung und den Hass anzuschreiben. Sein Gedicht „Doch der Himmel, er schweigt!“ verkörpert den verzweifelten Schrei nach Gerechtigkeit in einer Zeit der Unsicherheit. Mit einer überraschenden, dichterischen Kraft entblößt dieses lyrische Werk die inneren Konflikte eines einfachen Handwerkers, der sich mit den großen Fragen der Menschheit auseinandersetzt. Sein Hauptanliegen war es jedoch, die Menschen zum Nachdenken über die Vergänglichkeit des Lebens und die Schönheit der Schöpfung anzuregen. Dörlinbach und das Schuttertal bildeten dabei den lebendigen Hintergrund für viele seiner Gedichte, wie etwa das schlicht gehaltene „Mein Elternhaus“.

Ein bleibendes Erbe

Wilhelm Fischer hinterließ nicht nur Gedichte, sondern auch ein bedeutendes historisches Schauspiel, das den Bürgern von Seelbach ans Herz gewachsen ist. Jährlich wird das Freilichtschauspiel „Marktverleihung durch Kaiser Friedrich III. an Diebold von Hohengeroldseck anno 1455“ zur Eröffnung des Katharinenmarktes aufgeführt. Zu Ehren Fischers wurde sogar ein Gedenkstein im Klostergarten aufgestellt, der an seinen unvergänglichen Beitrag zur Kultur und Geschichte der Region erinnert. Nach dem Tod seiner ersten Frau fand Fischer erneut das Glück mit Amalia Kopf aus Schuttertal, was zeigt, dass auch die Liebe Teil seines bewegten Lebens war. Wilhelm Fischers umfangreiche Schriften und seine tiefgründige Sicht auf das Leben werden auch heute noch geschätzt und bewahrt, sei es im Dörlinbacher Heimatbuch oder in diesem Blog-Beitrag über seine Erinnerungen oder weiteren Blog-Beiträgen wie beispielsweise „Erinnerungen an die Ahnen“ vom 3. April 2022. Er hinterlässt ein dichterisches Erbe, das Generationen überdauern wird.

Veröffentlicht am 18. August 2024 / red

Visuelle Impressionen zur Geschichte:

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