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Derlebacher G’schichtle Folge 37

Lesedauer: 3 Minuten

Nacht für Nacht mit bloßen Händen auf Frösche-Jagd

Er hat es sich nicht leicht gemacht darüber zu berichten, was sich in seiner Kindheit so abspielte, wenn alle Jahre wieder im Vorfeld des Frühlings die Frösche die Gewässer zum Laichen aufsuchten. Denn Hermann Friedrich Wehrle (Jahrgang 1933) gehörte wie viele in Dörlinbach, die bei den ersten lauen Frühlingsnächten nicht ehrfurchtsvoll der Musik der Frösche lauschten. Nein sie führten wahrlich anderes im Schilde, als sie sich im Dunkel der Nacht in Scharen zu den feuchten Plätzen im Ort aufmachten.

Derlebacher Gschichtle Folge 37
Wehrle berichtet im Dörlinbacher Heimatbuch (erschienen 1995) über nächtliche Betätigungen vieler Familien, ja ganze Verwandtschaften, die in der heutigen Zeit undenkbar wären. Frösche, die es Mitte des 20. Jahrhunderts in den Feuchtgebieten des Ortes noch in Hülle und Fülle gab, wurden Nacht für Nacht gejagt. Daran dürften sich vor allem noch die älteren Bürgerinnen und Bürger recht gut erinnern. Vor allem die Wiesen oberhalb Dörlinbachs waren damals sehr beliebt – bei „Jägern“ und „Gejagten“.
Derlebacher Gschichtle Folge 37
Außenwandgemälde in der Brandhalde (Anwesen Kaspar). Hans Buschs Erstlingswerk an Dörlinbachs Hauswänden, das er im August 1975 fertigstellte.
Derlebacher Gschichtle Folge 37
Einer aus der Gruppe ist bei diesen nächtlichen Aktionen immer mit einer hellen Karbidlampe vorausgegangen, um die Aufenthaltsorte der Frösche auszumachen beziehungsweise um sie ins Helle zu locken. „Es war eine erlaubte, aber durchaus nicht gewöhnliche Art, wie hier der von Natur aus geborene Jagdtrieb ausgeübt wurde“, beschreibt Wehrle das, was sich dann auf den Wiesen abgespielt hatte. Oft hatte man auch kein Fangnetz dabei. Die aufgescheuchten Frösche wurden daher meist mit den bloßen Händen geschnappt. Somit ließen sie sich auch leichter zählen. Aber eben nur solange es überhaupt möglich war. Denn es kam immer wieder mal vor, dass es durch die schiere Anzahl der Frösche mit der Zählerei nicht mehr so richtig klappte. Es versteht sich von selbst, dass dann natürlich stets aufgerundet wurde. Denn manch einer oder eine prallte am nächsten Tag mit seinen nächtlichen Fangquoten.
Leckeres Schlemmergericht
Wer die alten Geschichten nicht kennt fragt sich nun, warum um Himmels willen einst so viele Frösche gefangen wurden. Die kamen übrigens erst einmal in einen großen Bottich. Manche wurden auch in einer großen Badewanne gefangen gehalten. Dort verblieben sie bis ihre letzte Stunde geschlagen hatte – und die war in der Regel schon am nächsten Morgen beziehungsweise Vormittag. Denn die Frösche waren das Herzstück für leckere Schlemmergerichte. Wehrle beschreibt den Weg dorthin in allen Einzelheiten: „Nun wurden also die Frösche mit einem Stockschlag betäubt und nach einem Axthieb auf den Kopf wurden die Schenkel abgetrennt. Später skalpierten wir diese mit einer Nadel oder Gabelspitze. Gab man eine Brise Salz daran, so fingen die Schenkel nochmals an zu zappeln. Damit war unsere Arbeit getan. Nun lag es an der Mutter, aus den vielen kleinen, hellen und zartesten Fleischstückchen eines der leckersten Schlemmergerichte des Jahres zu zaubern.“
Wahrlich kein Schlachtfest

Eine Vorgehensweise, die sich nahezu in allen Haushalten gleich abspielte. Wehrle vermerkt in seinen Erinnerungen aber auch, dass diese Geschehnisse nicht als ein „Schlachtfest“ angesehen werden dürfen. „Früher nicht und heute nicht.“ Froschschenkel sind hierzulande längst keine willkommene Delikatesse mehr. Wenn heute jemand Frösche umbringt und damit in der Tat an der Natur frevelt, wird aus gutem Grund mit einem saftigen Bußgeld bestraft. Längst bevor Wehrle diese Erinnerungen niederschrieb gab es bereits bei den jüngeren Generationen ein Umdenken. Die Arbeitsgemeinschaft „Natur und Umwelt“ Dörlinbach setzte sich vor allem in den 1980er-Jahren aktiv für die Rettung von Kröten und Fröschen entlang der Landesstraße 102 zwischen Dörlinbach und Schweighausen ein. Alljährlich wurden auf diesem Streckenabschnitt entsprechende Amphibienschutzmaßnahmen durchgeführt. Mehr dazu unter dem gleichnamigen Blog-Beitrag „AG Natur und Umwelt Dörlinbach“ vom 1. März 2022.

Veröffentlicht am 26. Februar 2023 / red

Visuelle Impressionen zur Geschichte:

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