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Gerichtstag auf dem Freihof

Lesedauer: 4 Minuten

Ein historisches Schauspiel in Mundart

Es ist vollbracht! Der „letzte imaginäre Vorhang“ ist gefallen und das historische Schauspiel „Gerichtstag auf dem Freihof“ hat nun selbst einen Platz in der Geschichte eingenommen. An vier Abenden wurde Dörlinbachs bewegte Vergangenheit am historischen Unterrain, bei den „Herre-Ländels“, lebendig gemacht. Alle Vorstellungen waren restlos ausverkauft, und das Publikum war schlichtweg begeistert! Es schien, als hätte der „Wettergott“ ein besonderes Interesse an dem Laienschauspiel – die Witterung war den Mitwirkenden gnädig gesinnt.
Drei Tuchgemälde von Wim Cannie spiegelten die verheerenden Kriegsjahre zwischen 1427 und 1434 im Geroldseckerland wider.
Die erste Generalprobe musste noch mit leichtem Regen klarkommen, doch zur Premiere strahlte der Himmel wie frisch gewaschen. Auch die zweite Aufführung fand bei bestem Sommerwetter statt. Vor der dritten Vorstellung jedoch schwang eine gewisse Nervosität in der Luft. Die Wetter-Apps prophezeiten Gewitter und Starkregen – Dörlinbach steckte mittendrin! Doch das Böse kam nicht – das angekündigte Gewitter bog kurz vor dem Aufführungsort ab, und nur ein paar Tropfen suchten ihren Weg ins Schauspiel. Ein doppelter Regenbogen über Dörlinbach bot sogar einen zauberhaften Anblick.
Kulinarisch versorgte der Musikverein Dörlinbach die Gäste: Es gab leckere belegte Brote, Cocktails und vieles mehr.
Außenwandgemälde in der Brandhalde (Anwesen Kaspar). Hans Buschs Erstlingswerk an Dörlinbachs Hauswänden, das er im August 1975 fertigstellte.
Alle vier Aufführungen waren ausverkauft – das Publikum war begeistert. Darunter auch Vertreter aus Kirche und Politik. Ein Gast kam sogar aus Madagaskar.
Und für den letzten Abend? Auch da türmten sich dunkle Wolken, doch die wenigen Regentropfen kurz vor Ende der Aufführung störten das Schauspiel weniger als ein Schatten.
Der letzte Schnapper
Apropos Kulissen: Das Stück erstreckte sich über anderthalb Stunden ohne Unterbrechung. Während die Kulissen ein- und wieder herausgetragen wurden, erklang der fröhlich klingende Dudelsack von Marion Gumper und die rhythmische Trommel von Wolfgang Miessmer auf der Balustrade des historischen Gebäudes. Das Publikum war sichtlich begeistert, und oft brandete auch Applaus für die Kulissenschieber auf – beispielsweise als ein Bett hinausgetragen wurde, welches zuvor zur sterbenden Ruhestätte eines Charakters diente. Bei dieser Sterbeszene gab es nach dem vermeintlich letzten Schnapper – gespielt von Regisseur, Texter und Schauspieler Günter Steuert höchstpersönlich – tosenden Beifall. „Einfach genial, wie er diese Sterbeszene gespielt hat“, hörte man immer wieder durch die Reihen des Publikums.
Ein lebendiges Stück
Das Stück lebte von einer bunten Mischung aus verschiedenen Elementen. Besonders faszinierend waren die Einlagen des Chors Lauschangriff, der mit dem „Artikel-Lied“ eindrucksvoll unterstrich, dass vor Gott alle Menschen gleich sind und dass die Dörlinbacherinnen und Dörlinbacher sich von ihrer Rolle als Leibeigene befreien wollten. Die sieben Jahre, in denen Dörlinbach quasi vom Angesicht der Erde verschwunden war, weil der Ort verwüstet wurde und seine Bevölkerung sich im Wald versteckte, wurden eindrücklich durch drei Tuchgemälde des Künstlers Wim Cannie dargestellt.

Die i-Tüpelchen

Und sogenannte i-Tüpfelchen gab es gleich mehrere bei der Aufführung: Von den charmanten Auftritten der Hühner und der Geiß Wilma bis hin zu den kraftvollen Protestmärschen der Leibeigenen – das ganze Spektakel wurde abgerundet durch einen herzlichen Kindertanz, der den Geist des Zusammenseins lebendig hielt. Insgesamt war der „Gerichtstag auf dem Freihof“ nicht nur ein Theaterstück, sondern ein Denkmal lebendiger Geschichte, das die Herzen des Publikums berührte und die Traditionen Dörlinbachs neu erweckte.

Zum Inhalt des historischen Schauspiels:

Der Gerichtstag in „Derlebach“ begann feierlich mit dem Glockengeläut und einem majestätischen Fanfarenstoß einer Bläsergruppe des Musikvereins. Bruder Franz, als Verwalter des Derlebacher Freihofs, begrüßte eine illustre Abordnung des Klosters Ettenheimmünster – den Abt Quirinus, Kaplan Friedebert Walter, Schildknecht Eduard Bildstein sowie Klosterkoch Heinz Heimburger. Bevor es an die Verhandlung der Rechtsfälle ging, mussten die 14 Lehenshöfe ihre Abgaben in Form einer Henne und eines Laibs Brot oder zwei Straßburger Pfennigen entrichten. Dieses Ritual zog die Zuschauer förmlich in den Bann.

Hohe Schauspielkunst

Eine musikalische Untermalung durch Dudelsack- und Trommelklänge leitete den nächsten Akt ein, die Bühne wurde in ein bäuerliches Schlafzimmer verwandelt. Hier entfaltete sich hohe Schauspielkunst in einer ergreifenden Sterbeszene, die im Mittelpunkt von Wanglerbauer Bassel stand. Das Publikum war gebannt und belustigt zugleich, als Bassel am Ende des Akts von den Kulissenschiebern liegend im Bett abtransportiert wurde. Nach einem weiteren musikalischen Intermezzo trat erstmals der Chor „Lauschangriff“ auf, der mit dem bewegenden Stück „Herr erbarme dich“ die Forderungen des Klosters untermalte. Währenddessen schufen arbeitende Bäuerinnen und Bauern der Lehenshöfe eine lebendige Kulisse, indem sie Heu mähten, Kartoffeln und Äpfel in Körbe füllten.
Handlung und Ablauf des Gerichtstags
Im dritten Akt erlebte das Publikum eine Vielzahl von lebhaften Gerichtsfällen. Angefangen bei Heiner vom Mayerhof, der seinen Pflichten nicht nachkam, folgte Lina, deren Bassel verstorben war und die nun um einen Nachlass bat. Linas Sohn Hermann wurde beim Wildern erwischt und musste sich für seine Taten verantworten. Auch eine wilde Schlägerei im Gasthaus „Engel“ sowie der Streit um das richtige Sester-Maß sorgten für rege Diskussionen. Ein weiteres Spektakel bot der Wunderheiler Valentin, dessen Auftritt die Geiß Wilma ins Rampenlicht rückte und das Publikum zum Staunen brachte. Die Vorstellung endete mit dem Auftritt des „Hisli Franz“, der verzweifelt versuchte, das geforderte Abzugsgeld aufzutreiben. Schließlich führte ein skurriler Fall von Hexerei zu einem Handgemenge auf der Bühne.
Die Geroldsecker
Nach der Verhandlung der Gerichtsfälle zog sich der Abt mit seinem Gefolge zurück, und ein weiteres musikalisches Zwischenspiel bereitete den Boden für die nächste Szene: das Zimmer des Grafen Gangolf von Geroldseck wurde eingerichtet. Der Graf und seine zwei Saufbrüder betraten die Bühne, während fröhliche Rufe wie „Proscht und Waidmannsheil“ durch den Raum hallten. Inmitten dieses Gelages wurde auch der Schultheiß von Derlebach ermahnt, genügend Jäger zur Verfügung zu stellen, was die ausgelassene Stimmung nur verstärkte.
Sieben lange Jahre der Entbehrung
Nach einem weiteren Umbau übernahm Klosterbruder Franz das Wort und berichtete von den verheerenden Kriegsjahren zwischen 1427 und 1434 im Geroldseckerland. Die Dörlinbacherinnen und Dörlinbacher litten unter Plünderungen und Gewalt, ihre Höfe wurden angezündet, und die Bauern mussten sich in den Wäldern verstecken – sieben lange Jahre voller Entbehrungen. Diese tragische Periode wurde eindrucksvoll durch drei große Gemälde in Szene gesetzt. Weiter wurden spätere Forderungen in der Geschichte Derlebachs zur Abschaffung des Frondienstes durch Chorgesang sowie leidenschaftliche Demonstrationen der Dorfbewohnerinnen und Dorfbewohner untermalt. Trotz der drückenden Umstände dauerte es bis 1835, bis die Derlebacherinnen und Derlebacher endlich von der Leibeigenschaft, von allen Frone und Abgaben befreit wurden.
Daten und Fakten:
Text und Regie: Günter Steuert
Mitwirkende
32 Laienschauspielerinnen und -schauspieler
9 Kinder
Kulisse / Technik / Maske:
22 Personen
Musikalische Gestaltung:
Drei Fanfarenspieler des Musikvereins
Sängerinnen und Sänger des Chors Lauschangriff
Kindertanzgruppe der Grundschule Dörlinbach
Dudelsackspielerin Marion Gumper
Trommler Wolfgang Miessmer
Künstlerische Gestaltung:
Hans Busch und Wim Cannie
Tontechnik:
Erwin Buchholz
Film und Foto:
Erny Videoproduktion, Wolfgang Schätzle
Gesamtorganisation:
Andrea Schwörer
Veranstalter:
Musikverein Trachtenkapelle Dörlinbach
Der Bestell-Link:
Der Trailer:

Veröffentlicht am 18. Juli 2025 / red

Visuelle Impressionen zur Geschichte:

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