Mit Hereinbrechen der Dunkelheit galt es dann für die Helferinnen und Helfer die Kröten und Frösche entlang des Zaunes einzusammeln, in Listen nach Größe, Art und Geschlecht zu erfassen und danach auf der gegenüberliegenden Seite wieder in ihre Freiheit zu entlassen, damit diese im Frühjahr ihren Marsch zum „Hochzeitsgewässer“ fortsetzen konnten. Und im Spätjahr das gleiche Prozedere beim Rückweg.
Auch wenn es offiziell Krötenwanderung heißt, in Dörlinbach waren es überwiegend Frösche, die gezählt und registriert wurden. Neben den Erdkröten betraf es in erster Linie Grasfrösche, Springfrösche und Laubfrösche. Wie sich die Aktion in Zahlen niederschlug, wollen wir einmal anhand der Statistik vom 24. März 1987 zeigen. Zwischen 20 und 23 Uhr registrierten damals die Helferinnen und Helfer bei den Grasfröschen 137 weibliche und 155 männliche sowie 141 Paare, das sind Weibchen, die ihren Partner huckepack mit dabei haben. Bei den Springfröschen wurden neben 197 Paaren 47 weibliche und 66 männliche, die solo unterwegs waren, gezählt. Laubfrösche gab es bei dieser Zählung zehn weibliche und 17 männliche sowie 19 Paare. 41 tote Frösche wurden insgesamt registriert. Erdkröten gab es bei diesem Einsatz keine festzuhalten – weder gerettete noch tote. Die Helferinnen und Helfer waren für diese Einsätze extra geschult, damit sie trotz Dunkelheit und zumeist Regen die Frösche und Kröten unterscheiden konnten.
Liebhaber von Froschschenkel erwischt
Viele Einsätze verliefen routiniert und problemlos. Aber es gab immer wieder auch mal knifflige Situationen. Sei es durch unvernünftige Autofahrerinnen und Autofahrer, die die während den Einsätzen vorgeschriebene Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 Stundenkilometer nicht einhielten, sei es durch Personen, die bewusst die Aktion störten (auch das gab es leider), oder auch durch „Frosch-Diebe“. Denn die Schenkel von Fröschen sind für manche Leute eine wahre Delikatesse. Aber heutzutage stehen die meisten Froscharten als Schädlingsbekämpfer gegen Schnecken und Insekten unter Tierschutz. Während Froschschenkel bei unseren Nachbarn in Frankreich durchaus noch auf Speisekarten zu finden sind, ist dies bei uns nicht mehr so. Aber Liebhaber von Froschschenkel gibt es auch noch hierzulande, trotz aller Tier- und Umweltschutz-Aspekte. Und ein solcher Liebhaber wollte sich die sogenannten „Eimerfallen“, mit denen quasi die Frösche eingefangen werden, damit man sie dann anschließend sicher über die Straße tragen kann, zum Nutzen machen. Allerdings hatte er das Pech, dass ihn die Helferinnen und Helfer der AG Natur und Umwelt auf frischer Tat erwischten. Gerade noch so, denn der aus der Region kommende Mann hatte bereits prall-volle Eimer in seinem Kofferraum verstaut.
Sprunggewaltig „verduftet“
Aber nicht nur Störer, Raser oder Froschschenkel-Liebhaber sorgten für so manchen turbulenten Einsatz. Einmal hielt ein Frosch selbst die AG-Leute in Atem. Zunächst ein dumpfes Brüllen. Was ist das? Und plötzlich taucht im Licht der Taschenlampe ein mächtiger Frosch auf. Schnell wird den Helferinnen und Helfer klar, das könnte wohl ein Ochsenfrosch sein. Ochsenfrösche kommen eigentlich nur in Afrika und Nordamerika vor. Doch hin und wieder wurde diese beeindruckende Froschart auch schon in diesen Breiten gesichtet. Vermutlich ein aus einem Terrarium ausgebüxter oder sogar absichtlich ausgesetzter Frosch?! Es soll auf jeden Fall ein amerikanischer Ochsenfrosch gewesen sein. Egal wie, er saß plötzlich mitten auf der Straße. Durch flinkes Handeln gelang es einem Helfer einen Zehn-Liter-Eimer über den etwa 20 Zentimeter großen Ochsenfrosch zu stülpen. Der Kerl gehört zurück in ein Terrarium, aber ganz sicher nicht hier in die Natur, war man sich einig. Doch dazu kam es nicht, die Freude ihn eingefangen zu haben, währte nicht lange. Denn der Helfer vermochte den Riesenfrosch nicht unter der „Haube“ zu halten. Der Eimer glitt ihm aus den Händen und der Ochsenfrosch entfernte sich mit einem einzigen Satz von der Straßenmitte ins feuchte Gras am Straßenrand. Zugleich für die Helferinnen und Helfer ein anschaulicher Beleg, dass amerikanische Ochsenfrösche auch gute Springer sind und Sätze von über zwei Meter machen können.
Überliefert aus dieser Zeit ist auch ein Vorfall, der sich einmal tagsüber beim Reparieren des Schutzzaunes ereignete. Einer der Helfer, der damals alleine an der Strecke unterwegs war, verfehlte mit der Axt den Pflock, den er einschlagen wollte. Stattdessen traf er seinen Unterschenkel. Zum Glück hatte er keine offene Wunde, aber er blieb zunächst mit starken Schmerzen am Straßenrand liegen. Da gerade der Feierabendverkehr einsetzte, hoffte er auf rasche Hilfe. Er winkte und winkte und winkte, doch alle fuhren vorbei und winkten dabei meist zurück. Offensichtlich war niemand bewusst, dass der Helfer nicht nur ein freundlich winkender, im Gras liegender Mensch ist, sondern nun selbst Hilfe benötigt. Der junge Mann blieb schließlich so lange im Gras liegen, bis es ihm die Schmerzen erlaubten sich zu seinem Auto zu robben. Nach einer weiteren Wartezeit auf dem Fahrersitz wagte er es dann unter anhaltenden Schmerzen und einem inzwischen dicken Bein selbst nach Hause zu fahren.
Polizeikontrolle „vertagt“
Noch ein abschließendes Wort zu den bereits erwähnten Geschwindigkeitsbegrenzungen: Nach den ersten Jahren wurden drehbare Straßenschilder montiert. Immer wenn die AG-Leute im Einsatz waren, wurden diese in Fahrtrichtung gedreht und es galt dann auf dem rund zwei Kilometer langen Teilstück der Landesstraße 102 Tempo 30. Manchem Verkehrsteilnehmer beziehungsweise mancher Verkehrsteilnehmerin war wohl nicht klar, dass die Reduzierung der Höchstgeschwindigkeit nicht wegen den Fröschen und Kröten angeordnet wurde, sondern wegen der Sicherheit der Helferinnen und Helfer. Trotz dem Unmut der AG-Leute über manches rücksichtsloses Fahrverhalten schlug einmal dann doch ihr Herz für die Verkehrsteilnehmer beziehungsweise Verkehrsteilnehmerinnen. Die nächtliche Aktion war gerade beendet, die Schilder eingeklappt, da wollte die Polizei noch eine Kontrolle durchführen. Zu diesem Zweck sollten die Schilder noch einmal gedreht werden. Diesem Wunsch kamen die AG-Leute, die quasi die „Schlüsselgewalt“ über die drehbaren Verkehrsschilder hatten, nicht nach. Die Polizei musste ihre Kontrolle auf einen anderen Zeitpunkt verschieben, eben auf einen, wo auch wirklich ein Einsatz der AG-Leute im Gange war.
Pitschnass bis auf die Unterwäsche
Die „Amphibienretter“ von Dörlinbach schafften es seinerzeit sogar mal Thema eines Fasentswagens im Nachbarort Schweighausen zu werden, der natürlich dann über die närrisch-tollen Tage auch in Dörlinbach seine Runden drehte. Neben dem Steckenpferd der Amphibienrettung war die AG Natur und Umwelt auch immer wieder in anderen Bereichen tätig. Angeboten wurden beispielsweise auch Waldexkursionen und Informationsveranstaltungen zu verschiedenen Umweltthemen. Einmal hieß das Motto einen ganzen Tag lang „In und mit der Natur“. An dem Projekt nahmen damals Studentinnen und Studenten aus Freiburg teil. Der Tag begann im Naturschutzgebiet Taubergießen bei Kappel-Grafenhausen und endete hier im heimischen Durenbach. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer von auswärts dürften wohl diesen Tag nie vergessen. Grund: Sie wurden im Durenbach von einem heftigen Gewitter überrascht. Pitschnass bis auf die Unterwäsche mussten die Gäste aus Freiburg sich damals in Dörlinbach trockene Kleider ausleihen. Die geliehenen Kleider fanden übrigens alle wieder gewaschen und gebügelt den Weg zurück nach Dörlinbach.
Schutz der Roten Waldameise
Es gab immer wieder einmal Aktionen im Wald. Im Herbst 1985 beispielsweise machten sich die Helferinnen und Helfer daran, Ameisennester im Wald anhand einer Karte zu registrieren und wo es nötig erschien wurden auch Schutzgitter angebracht. Dabei handelte es sich um eine Art Käfige, welche die Bauten der Roten Waldameise vor drohender Zerstörung schützen sollten. Die Arbeitsgruppe wollte mit dieser Aktion ihren Beitrag zum Schutz dieser kleinen, dem Wald sehr nützlichen, Tierchen leisten. Die Rote Waldameise gilt weithin als Hüterin der Waldhygiene. Seit ihr Nutzen für die Gesundheit der Wälder erkannt wurde, ist ihre Art durch ein Gesetz streng geschützt. In den 1990er-Jahren verließen einige Mitglieder die Dörlinbacher Arbeitsgemeinschaft und auch die Unterstützung bröckelte mit der Folge, dass die AG nach knapp einem Jahrzehnt leider wieder aufgelöst beziehungsweise deren Tätigkeit eingestellt wurde.
Veröffentlicht am 1. März 2022 / red
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