Seite wählen

Das Krieger-Ehrenmahl

Lesedauer: 3 Minuten

Ärger um einen "Soldaten"

Die „Kriegerkameradschaft Dörlinbach“ ließ zum ehrenden Gedenken an die vermissten und gefallenen Soldaten des Ersten Weltkriegs ein Krieger-Ehrenmal mitten im Dorf errichten. Dies geschah in den Jahren 1936 bis 1938. Das Ehrenmal wurde seinerzeit von Bildhauer Franz Sieferle (1875 bis 1957) aus Lahr angefertigt. Sieferle schuf übrigens aus Beton auch den historischen Lahrer Löwe als Kriegerdenkmal.

Das Krieger-Ehrenmal zum ehrenden Gedenken an die vermissten und gefallenen Soldaten des Ersten Weltkriegs von Bildhauer Franz Sieferle aus Lahr angefertigt.
Es entsprach der damaligen Zeit-Ideologie und so war auch das Krieger-Ehrenmal in Dörlinbach betont monumental. Alleine die Figur hat eine Größe von rund zwei Metern. Das Ehrenmal überlebte den Zweiten Weltkrieg und war auch den späteren französischen Soldaten kein Dorn im Auge. Das Ehrenmal blieb unversehrt an seinem angestammten Platz. Und für manche im Dorf wurde es sogar zu einer richtigen Grab- und Erinnerungsstätte. Für eine Frau war es beispielsweise das „Bindeglied“ zu ihren vier vermissten beziehungsweise gefallenen Brüdern.
In den 1960er- und 1970er-Jahren lebte die Dorffasent im Ort so richtig auf. Auf den Straßen und in der Schule war nun auch bei den Kindern verkleiden angesagt.
Das Krieger-Ehrenmal zum ehrenden Gedenken an die vermissten und gefallenen Soldaten des Ersten Weltkriegs von Bildhauer Franz Sieferle aus Lahr angefertigt.
Alles ging seinen gewohnten Gang bis Gemeinderat und Bürgermeister im Jahre 2009 in einer nicht-öffentlichen Sitzung sich gegen den „Soldaten“ und für eine neue Gedenkstätte für die Gefallenen aussprachen. Bis dahin war nie vom „Soldat“ die Rede im Ort, es war einfach nur das Ehrenmal. Nun aber war der „Soldat“ aus Beton in aller Munde und in den lokalen Medien. Denn ohne die Bürgerinnen und Bürger mit einzubinden wurde in einer Nacht- und Nebelaktion besagter „Soldat“ von seinem Sockel „gestoßen“. Genau gesagt er hing plötzlich mit einer Drahtseilschlinge um den Hals an einem Autokran der Bundeswehr. Einige Passanten erinnerte die Szenerie an Deserteure, die aufgehängt wurden, andere dachten, der Soldat würde wohl „nur“ restauriert werden und schenkten der Aktion keine weitere Bedeutung. Somit wurden offensichtlich auch keine Fotos von der Aktion gemacht. Zumindest sind bislang keine dazu aufgetaucht.

Große Empörung im Ort

Niemand ahnte also von dem Gemeinderatsbeschluss. Umso größer die Empörung im Ort, als erkannt wurde, dass der „Soldat“ für immer seinen angestammten Platz und auch den Ort Dörlinbach verlassen hatte. Etliche Bürgerinnen und Bürger hatten über das Vorgehen der Gemeinde keinerlei Verständnis. Verschärft wurde das Ganze durch Einlassungen des damaligen Bürgermeisters Carsten Gabbert (Jahrgang 1973) gegenüber lokaler Medien, wonach der poröse und verwitterte Betonsoldat keine Zierde darstellte. Und dass die Nachbildung eines „Wehrmachtssoldaten“ keine zeitgemäße Form des Erinnerns sei. Die Folge: eine äußerst lebhafte Gemeinderatssitzung. Lebhaft aber auch deshalb, weil der Verbleib der Tafeln ebenfalls für Ärgernis sorgte. Die Tafeln mit den Namen der Vermissten und Gefallenen sollten nämlich künftig an der Kriegergedächtniskapelle, die heute nur noch Gedächtniskapelle genannt wird, neu installiert werden. Dies wurde ebenfalls in nicht-öffentlicher Sitzung beschlossen. Letztlich verständigten sich die Räte – nun mit Einbindung der Bevölkerung – darauf, auf dem Friedhof bei der Einsegnungshalle eine neue Gedenkstätte mit den Tafeln einzurichten. Die Tafeln haben somit ihren neuen Platz gefunden. Der ehemalige Dörlinbacher „Soldat“ steht in einer Bundeswehrkaserne bei Donaueschingen. Die Wogen haben sich gelegt, kochen jedoch immer wieder mal hoch, vor allem mit Blick auf den früheren Standort der Soldaten-Statue. Denn manch einem im Ort gefällt bis heute nicht, was die Gemeinde in der Folge aus der Anlage in der Dorfmitte gemacht hat. Und hin und wieder brodelt auch die Gerüchteküche, wonach einige Leute im Ort den „Sodaten“ bis zum Ortsjubiläum 2025 wieder nach Hause, nach Dörlinbach holen wollen.

Veröffentlicht am 10. März 2021 / red

Visuelle Impressionen zur Geschichte:

Das könnte Dir auch gefallen:

Zu Ehren der Dreifaltigkeit

Zu Ehren der Dreifaltigkeit

In verschiedenen Blog-Beiträgen wird auf Dörlinbachs altes Kirchlein hingewiesen, das von Bischof Ulrich II. von Konstanz am 9. Juli 1132 „Zu Ehren der Heiligen Dreifaltigkeit“...

mehr lesen
Ein Foto gibt Rätsel auf

Ein Foto gibt Rätsel auf

Das Foto, um das es geht, stammt aus dem Nachlass von Appolonia Ohnemus, einer bemerkenswerten Frau, deren Lebensgeschichte untrennbar mit dem alten Kirchlein verbunden ist....

mehr lesen
Geschichte erleben

Geschichte erleben

Wer durch den Ort spaziert stößt hier und da auf blaue Tafeln mit weißer Schrift, die allesamt an historischen Gebäuden angebracht sind. Die Tafeln sollen...

mehr lesen
Gedichte und Lieder

Gedichte und Lieder

In diesem Blog wollen wir uns Gedichten und Liedern aus der Heimat, zu und über unseren Ort widmen. Zum einen sind es Erinnerungen von gebürtigen...

mehr lesen
Banküberfall in den 1990er-Jahren

Banküberfall in den 1990er-Jahren

„Banküberfall im beschaulichen Dörlinbach“ – könnte eines der zahlreichen Lustspiele einer der hiesigen Laienschauspielgruppen sein. Im Ort gibt es zwar eine weit über 100-jährige Theatertradition,...

mehr lesen
Blau-Weiß-Blau

Blau-Weiß-Blau

Bei den Farben Blau und Weiß denken viele sicherlich gleich an Bayern. Vor allem jedoch wenn es um Flaggen oder Banner geht. Allerdings hat Bayern...

mehr lesen

0 Kommentare

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Favicon
doerlinbach800.de
Die rechte Maustaste ist nur für eingeloggte Benutzer verfügbar