Seite wählen

Der Hammeltanz

Lesedauer: 3 Minuten

Ein Brauch voller Freude und Gemeinschaftssinn

Jeder kennt sie, die besonderen Bräuche und Traditionen, die unsere Dörfer lebendig halten. Eine solch farbenfrohe und fröhliche Veranstaltung war einst der Hammeltanz, ein Brauch, der in Dörlinbach während der Kirchweih seine Höhepunkte erlebte. Während heute viele solcher Traditionen im Nebel der Zeit verschwinden, gibt es doch Geschichten vom alten Schulplatz, wo alles begann. Der Hammeltanz war vor allem ein Fest, das von den Jugendlichen des Dorfes organisiert wurde. Man bildete Tanzpärchen und bereitete sich darauf vor, dem Publikum eine mitreißende Darbietung zu liefern.
Aufstellung zum Tanz: Im Vordergrund der Bursche mit dem geschmückten Hammel. Das fröhliche Fest auf dem Schulplatz kann beginnen.
In Dörlinbach war es der älteste Verein im Ort, der Radfahrverein „Schutterbund“, der am Kirchweihsonntag den Tanz auf dem Schulplatz veranstaltete. Kaum hatten sich Neugierige und tanzbegeisterte Paare vor den Gaststätten „Zum Löwen“ und „Zum Engel“ versammelt, ließ man die örtliche Musikkapelle, die stolz auf ihren Rang als zweitältester Verein in Dörlinbach war, ihre Melodien erklingen. Und so zog man, mit dem Hammelburschen und seinem geschmückten Hammel voraus, zum alten Schulplatz – ein Bild, das fest in der Erinnerung alter Fotos verankert ist.
Aufstellung zum Tanz: Im Vordergrund der Bursche mit dem geschmückten Hammel. Das fröhliche Fest auf dem Schulplatz kann beginnen.
Außenwandgemälde in der Brandhalde (Anwesen Kaspar). Hans Buschs Erstlingswerk an Dörlinbachs Hauswänden, das er im August 1975 fertigstellte.
Mit der Musikkapelle und dem Hammel voraus geht’s zum alten Schulplatz. Gefolgt vom Banner des Radfahrvereins sowie den Neugierigen und Tanzpaaren.
Was den Hammeltanz besonders machte, war nicht nur die fröhliche Musik und die Tanzpaare, sondern auch eine spannende Verlosungsart, die sich von Ort zu Ort unterschied. In Dörlinbach hatte man sich für einen moderne Variante entschieden: anstelle einer verdeckt abbrennenden Kerze kam ein Wecker zum Einsatz.
Der Ablauf des Tanzes
Die Tanzpaare stellten sich im Kreis auf, während die Musik ertönte. Ein Wecker wurde gestellt, und einem der Paare wurde ein Fähnchen überreicht. Aber das war erst der Anfang des Spiels. Zwei „Aufpasser“ bewegten sich geschickt zwischen den Paaren und gaben das Fähnchen schnell weiter. Irgendwann ertönte der Wecker und damit kam der große Moment: jenes Paar, das das Fähnchen zum Zeitpunkt des „Weckens“ in der Hand hielt, durfte sich über den prächtigen Hammelpreis freuen. In manchen Orten marschierte zur späteren Stunde die gesamte Tanzgesellschaft mit der Musikkapelle, den Festhelfern und dem Hammel zum Elternhaus des Gewinnerpärchens. Dort wurde weiter gefeiert und natürlich auch in den Dorfwirtschaften. Ob dies in Dörlinbach auch so war oder so ähnlich, ist nicht überliefert.
In den 1930er-Jahren war Schluss
In Dörlinbach wurde bis in die 1930er-Jahre hinein mit großer Begeisterung der Hammeltanz gefeiert, ein Brauch voller Freude und Gemeinschaftssinn, der die Menschen zusammenbrachte und die Herzen höher schlagen ließ. Viele junge Mädchen ließen sich eigens für diesen festlichen Anlass ein neues Kleid anfertigen, sei es durch den Kauf eines neuen Gewandes oder durch eine Schneiderin, die ihre kreativen Fähigkeiten zur Schau stellte. Obwohl der Hammeltanz heute vielleicht nur noch in Geschichten weiterlebt, tragen die Erinnerungen an dieses fröhliche Fest den Geist dieser Tradition in sich. Die Tänzerpaare der letzten Jahre des Dörlinbacher Hammeltanzes sind mittlerweile verstorben, und nur wenige Bewohnerinnen und Bewohner unseres Dorfes können noch auf eigene Erlebnisse bei den letzten Veranstaltungen zurückblicken – und das oft nur aus der Sicht eines Kindes.

Veröffentlicht am 25. Oktober 2024 / red

Visuelle Impressionen zur Geschichte:

Das könnte Dir auch gefallen:

Maria im Felsen

Maria im Felsen

Inmitten der Dörlinbacher Waldlandschaft fand kürzlich eine ganz besondere Einweihungsfeier statt. Auf dem „Tannenböschle“ beim historischen Totenruhplatz, einer Stätte von großer Bedeutung für die...

mehr lesen
Das Aus für den Nierenbrunnen

Das Aus für den Nierenbrunnen

In Dörlinbach ist ein Kapitel zu Ende gegangen. Der Nierenbrunnen, der – obwohl nicht im Zentrum – über fünf Jahrzehnte hinweg das Herzstück des Ortes...

mehr lesen
Kaum Zerstörung im Ort

Kaum Zerstörung im Ort

Der Zweite Weltkrieg hinterließ kaum Zerstörung in Dörlinbach. Über die ganzen Kriegsjahre hinweg blieb der Ort von Bombenabwürfen verschont. Doch kurz vor Kriegsende gab es...

mehr lesen
750 Jahre im Quadrat

750 Jahre im Quadrat

Vielleicht hat der oder die eine noch die alte schwarze Box zu Hause. Jene legendären Kameras, die nicht die typische Form hatten, etwas klobig daherkamen...

mehr lesen
Der letzte Gang

Der letzte Gang

Wenn wir über den „letzten Gang“ sprechen, denken wir nicht an die melancholischen Klänge des gleichnamigen Trauermarsches von Michael Pobisch oder an die zahlreichen Bücher...

mehr lesen
Straßenbahn bald auch ins Schuttertal

Straßenbahn bald auch ins Schuttertal

Am Freitag, den 29. Dezember 1995, herrschte Erstaunen unter den Lesern der Badischen Zeitung. War es wirklich wahr? Sollte eine Straßenbahn ins malerische Schuttertal kommen?...

mehr lesen
Streiks und Ihre Auswirkungen

Streiks und Ihre Auswirkungen

Aktuell wird wieder im öffentlichen Nahverkehr gestreikt. Allerdings betrifft es diesmal nicht unsere Region. Überhaupt sind Streiks im öffentlichen Dienst die wohl einzigen, die –...

mehr lesen
Zu Ehren der Dreifaltigkeit

Zu Ehren der Dreifaltigkeit

In verschiedenen Blog-Beiträgen wird auf Dörlinbachs altes Kirchlein hingewiesen, das von Bischof Ulrich II. von Konstanz am 9. Juli 1132 „Zu Ehren der Heiligen Dreifaltigkeit“...

mehr lesen

0 Kommentare

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert