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Derlebacher G’schichtle Folge 47

Lesedauer: 3 Minuten

Eine Uhr im Dorf gegen nächtliche Ausschweifungen

Die Geschichte, wie Dörlinbach zu seiner ersten öffentlichen Uhr kam, ist nicht nur aufschlussreich, sondern auch überaus amüsant. Die Wurzeln dieses Vorhabens reichen zurück zu einem Schreiben des Bezirksamts Ettenheim aus dem 19. Jahrhundert, das die damaligen Dörlinbacher Untugenden in schillernden Farben schilderte und nachdrücklich die Notwendigkeit für eine Turmuhr einforderte.
Derlebacher Gschichtle Folge 47
Für das Bezirksamt war es offensichtlich: Dörlinbach musste eine öffentliche Uhr auf dem Gemeinde- und Schulhaus erhalten. Man war sich sicher, dass es für die gesamte Einwohnerschaft von großem Interesse wäre, jederzeit präzise zu wissen, in welcher Tages- oder Nachtzeit sie sich befand. Mit dieser Maßnahme wollte man nicht nur das Zeitbewusstsein stärken, sondern auch sicherstellen, dass Nachtschwärmer und andere Unruhestifter besser überwacht werden konnten. Der Gedanke war klar: Eine Uhr würde verhindern, dass die Bürger allzu spät in den Wirtshäusern verweilten und anschließend weiterführende „Nachtschwärmerei“ betrieben.
Derlebacher Gschichtle Folge 47
Außenwandgemälde in der Brandhalde (Anwesen Kaspar). Hans Buschs Erstlingswerk an Dörlinbachs Hauswänden, das er im August 1975 fertigstellte.
Derlebacher Gschichtle Folge 47
Das Bezirksamt klagte, dass die Argumentation der nächtlichen Gäste, es gäbe keine öffentliche Uhr, oft zu hören gewesen sei. Stattdessen liefen die Uhren der Wirte meist unregelmäßig, was den Feierfreudigen als idealer Vorwand diente, um die Zeit nicht im Griff zu haben. Daher sah sich die Obrigkeit in Ettenheim gezwungen, anzuordnen: Die Gemeinde Dörlinbach müsse eine Uhr auf ihre eigenen Kosten beschaffen, um diesen Missständen entgegenzuwirken. Zudem forderte das Bezirksamt, dass ein Sachverständiger beauftragt werden sollte, um die Kosten für die Anschaffung der Uhr möglichst gering zu halten. Ein detaillierter Kostenüberschlag samt gutachterlichem Bericht sollte binnen sechs Wochen beim Amt vorgelegt werden – eine straffe Vorgabe!
1860 kam endlich die von der Obrigkeit geforderte Uhr
Im Jahr 1860 endlich, nach vielen Diskussionen und Querelen zwischen der Gemeindeverwaltung und den Behörden, wurde die eingeforderte Uhr installiert. Man wollte nun auch in Dörlinbach schließlich der Ruhestörung ein Ende setzen und den geschätzten Mitbürgerinnen und Mitbürgern die Möglichkeit nehmen, über die Zeit im Unklaren zu bleiben. Die Uhr kam jedoch nicht auf das Schul- und Rathausgebäude, sondern im Kirchturm der alten romanischen Kirche, der Dreifaltigkeitskapelle, die 1922 für eine neue, größere Kirche weichen musste. Ein späterer Ratschreiber der Gemeinde äußerte in seinen Aufzeichnungen im Dörlinbacher Heimatbuch (erschienen 1995) skeptisch zu der Auseinandersetzung mit der Obrigkeit, ob die neue Uhr tatsächlich als „Wunderheilmittel“ gegen die angeprangerten gesellschaftlichen Missstände gewirkt habe.
Öffentliche Uhren haben auch heute noch ihren Platz
So bleibt die Frage: Hat die Uhr tatsächlich dafür gesorgt, dass die Leute damals weniger lange in den Wirtshäusern blieben? Oder ist die Uhr lediglich ein weiteres Kapitel in der bunten Geschichte dieses Ortes, das zeigt, dass selbst bei den besten Absichten manchmal das Leben eigene Wege geht? Eines bleibt jedoch gewiss – Dörlinbach hatte mit der Uhr nun einen Grund mehr, die Zeit im Blick zu behalten! Und heutzutage stellt sich die Frage: Wozu braucht es noch öffentliche Uhren? In einer Welt, in der Smartphones, Fitness-Tracker und Bildschirme ständig die Uhrzeit anzeigen, könnte man meinen, dass diese mechanischen oder digitalen Zeitmesser überflüssig sind. Dennoch haben öffentliche Uhren nach wie vor ihren festen Platz. In einer digitalisierten Welt erinnern uns öffentliche Uhren daran, die Zeit nicht nur durch Technologien wahrzunehmen, sondern auch im öffentlichen Raum zu genießen und zu schätzen. Und in Bezug auf unsere Geschichte sei noch angemerkt: Auch die neue Dörlinbacher Kirche wurde mit einer Uhr im Kirchturm ausgestattet– deren Zifferblätter sind sogar in alle vier Himmelsrichtungen sichtbar!

Veröffentlicht am 30. November 2024 / red

Visuelle Impressionen zur Geschichte:

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