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Derlebacher G’schichtle Folge 62

Lesedauer: 3 Minuten

Vom Fenster aus erlegt

Wer kennt sie nicht, die spektakulären Meldungen über Wildschweine, die ohne Scheu durch Wohngebiete streifen? „Wildschweinhorde läuft am helllichten Tag durch ein Wohngebiet!“ oder „Wildschweine vermehren sich scheinbar unaufhaltsam!“ sind nur einige der Schlagzeilen, die regelmäßig zu lesen sind. Die Resonanz? Einfache Antworten und eine große Jagd auf die Borstentiere. Dieser Kampf zwischen Mensch und Wildtier ist so alt wie die Menschheit selbst, und nicht erst seit der letzten Überpopulation von Wildschweinen.
Derlebacher Gschichtle Folge 62
Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass auch schon vor vielen Jahrzehnten ein akuter Handlungsbedarf bestand. Im Sommer 1951 berichteten die lokalen Zeitungen von einer dramatisch zunehmenden Wildschweinplage im Schuttertal. Damals war es vor allem Jagdaufseher Hermann Thoma (1919 bis 1998), der die Dringlichkeit der Situation erkannte. Er war gerade erst wieder in den Besitz eines Gewehres gekommen, das ihm die Möglichkeit gab, effektiv gegen die Wildschweine vorzugehen.
Derlebacher Gschichtle Folge 62
Außenwandgemälde in der Brandhalde (Anwesen Kaspar). Hans Buschs Erstlingswerk an Dörlinbachs Hauswänden, das er im August 1975 fertigstellte.
Derlebacher Gschichtle Folge 62
Eine prägnante Nacht im Juni bleibt in Erinnerung. Es war eine dieser klaren Nächte, in denen der Mond am Himmel thront und alles in ein geheimnisvolles Licht taucht. Hermann, zuhause am Fenster seiner Wohnung, schaute hinaus in die Dunkelheit, als seine Aufmerksamkeit auf ein sich bewegendes Schattenwesen fiel. Ein Wildschwein! Entschlossen griff er nach seinem Scheinwerfer. Mit einem gezielten Lichtstrahl beleuchtete er das Tier, das ahnungslos vor seinen Augen stand. Der Adrenalinkick, die Spannung des Moments – ein Schuss! Es war das erste Mal, dass Hermann direkt von seinem eigenem Zuhause aus ein Wildschwein erlegen konnte. Mit einem Schuss fiel das Tier, und für ihn war dies nicht nur ein weiterer Erfolg, sondern auch ein Beweis für den Mut und die Entschlossenheit der Jäger, die sich auch für die Sicherheit ihrer Dorfgemeinschaft einsetzen.
Bis dahin 24 Wildschweine erlegt
Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Hermann, von den Leuten meist nur „Thomajäger“ genannt, bereits 24 Wildschweine erlegt. Dieser besondere Abend festigte nicht nur seinen Ruf als erfahrener Jäger, sondern stellte auch eindrucksvoll die Präsenz der Tiere in unmittelbarer Nähe der menschlichen Siedlungen unter Beweis. Die Jagd auf die Borstentiere mag ein fortwährender Wettlauf sein, doch wie diese Geschichte zeigt, bleibt die Auseinandersetzung lebendig und spannend – sowohl für die Jägerinnen und Jäger als auch für die Wildschweine selbst.
Ein fesselndes Thema

Die Trauer und das Entsetzen über den Verlust von Maria Anna Weber (1890 bis 1965) hinterließen in der Gemeinschaft tiefe Spuren. Ihr tragisches Schicksal und die quälende Ungewissheit über ihr Verschwinden bewegten die Dorfbewohnerinnen und Dorfbewohner zutiefst. Die Erinnerungen an die Rentnerin blieben lebendig, und ihre mysteriöse Geschichte wurde zu einem dauerhaften Teil des kollektiven Gedächtnisses von Dörlinbach. Diese Erzählung dient nicht nur als Rückblick auf ein tragisches Ereignis, sondern auch als eindringliches Mahnmal, das uns daran erinnert, wie schnell sich das Leben verändern kann und wie zerbrechlich unsere menschliche Existenz ist. Während der Schnee das Geheimnis bewahrte, lebt die Erinnerung an Maria Anna Weber weiter – selbst bei jenen, die sie einst als „Nännän“ hänselten.

Veröffentlicht am 9. April 2025 / red

Visuelle Impressionen zur Geschichte:

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