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Derlebacher G’schichtle Folge 64

Lesedauer: 3 Minuten

Wünsche der Dörlinbacher Bevölkerung

In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg war das Bedürfnis nach einem Neuanfang in den kleinen Dörfern groß. Auch in Dörlinbach waren die Menschen voller Hoffnung und Tatendrang, was sich in einem bemerkenswerten Schreiben an die lokale Presse im Jahre 1950 widerspiegelte. Die Worte aus Dörlinbach klangen wie ein gemeinsames Sehnen nach Veränderung und Verbesserung, das den Geist der damaligen Zeit einfing.
Derlebacher Gschichtle Folge 64
„Nachdem unser Schulhaus instandgesetzt ist, haben wir den Wunsch, unserem Gotteshaus ein schöneres Kleid zu geben“, so lauteten die ersten Zeilen dieses Aufrufs. Der Notturm, den man während der inflation-geplagten Jahre hastig errichtet hatte, war nun das Symbol einer Zeit, die man hinter sich lassen wollte. Die Menschen wünschten sich, die „Missstände“ nicht nur zu beheben, sondern auch das Gesicht des Dorfes zu verschönern.
Derlebacher Gschichtle Folge 64
Außenwandgemälde in der Brandhalde (Anwesen Kaspar). Hans Buschs Erstlingswerk an Dörlinbachs Hauswänden, das er im August 1975 fertigstellte.
Derlebacher Gschichtle Folge 64
Ein weiterer Wunsch betraf die Uhr im Kirchturm. Man stellte fest, dass eine neue Uhr, die die Zeit korrekt in alle Himmelsrichtungen anzeigen sollte, nicht nur praktisch wäre, sondern auch ein Gefühl der Einheit und Ordnung im Dorf vermitteln könnte. Es war deutlich, dass die Dörlinbacher das Bedürfnis nach Gemeinschaft spürten, und eine funktionierende Uhr war für sie mehr als nur ein Zeitmesser – sie war ein Stück Identität.
Bitte um neue Glocken
Den Höhepunkt der Vorschläge bildete jedoch die Bitte um neue Glocken. Diese sollten nicht nur läuten, sondern auch die Seele des Dorfes verkörpern. Der Antrag zur Anschaffung neuer Glocken und die Anregung, einen bequem begehbaren Weg zum Gotteshaus anzulegen, waren ein deutlicher Ausdruck eines kollektiven Wunsches nach Fortschritt und Zusammenhalt. „Wenn sich dann noch die Anlage eines bequem begehbaren Weges zu unserem Gotteshaus bewerkstelligen ließe...“ – hier sprachen die Dörlinbacherinnen und Dörlinbacher von praktischer Nächstenliebe, die in der damaligen Zeit mehr denn je gefragt war.
Umsetzung erst Ende der 1950er-Jahre möglich

Die Trauer und das Entsetzen über den Verlust von Maria Anna Weber (1890 bis 1965) hinterließen in der Gemeinschaft tiefe Spuren. Ihr tragisches Schicksal und die quälende Ungewissheit über ihr Verschwinden bewegten die Dorfbewohnerinnen und Dorfbewohner zutiefst. Die Erinnerungen an die Rentnerin blieben lebendig, und ihre mysteriöse Geschichte wurde zu einem dauerhaften Teil des kollektiven Gedächtnisses von Dörlinbach. Diese Erzählung dient nicht nur als Rückblick auf ein tragisches Ereignis, sondern auch als eindringliches Mahnmal, das uns daran erinnert, wie schnell sich das Leben verändern kann und wie zerbrechlich unsere menschliche Existenz ist. Während der Schnee das Geheimnis bewahrte, lebt die Erinnerung an Maria Anna Weber weiter – selbst bei jenen, die sie einst als „Nännän“ hänselten.

Und heute? Die Veränderungen im Dorf
Der Ursprung dieser Zeilen ist nicht bekannt, doch ihr Nachhall in der Geschichte Dörlinbachs ist eindeutig. Es dauerte bis Ende der 1950er-Jahre, bis die wichtigste Maßnahme, die Errichtung eines neuen Kirchturms, in Angriff genommen wurde. Dies geschah in den Jahren 1957 bis 1959, danach konnte endlich der alte Notturm entfernt werden. Bei den Dorfbewohnerinnen und Dorfbewohnern war eine große Erleichterung spürbar. Gleichzeitig wurde eine neue Uhr installiert, die fortan die Zeit für alle sichtbar anzeigen sollte. Ein weiterer Meilenstein war der Glockenguss am 8. Oktober 1958 in Heidelberg. Der Stiftungs- und Gemeinderat Dörlinbachs war persönlich anwesend, was die Bedeutung dieses Ereignisses unterstrich. Nur einen Monat später, am 9. November 1958, erlebte das Dorf eine feierliche Glockenweihe, die nicht nur einen neuen Klang in den Alltag brachte, sondern auch das Gefühl von Hoffnung und Neubeginn verstärkte.
Wünsche wurden wahr
Die Wünsche der Dörlinbacher Bevölkerung aus den Anfängen der 1950er-Jahren wurden schließlich wahr und sind bis heute ein Teil der lebendigen Geschichte des Dorfes. Diese Erzählung zeigt, wie Gemeinschaftsgeist, Geduld und der Wille zur Veränderung auch in schwierigen Zeiten Früchte tragen können.

Veröffentlicht am 22. November 2025 / red

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