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Der Ruf der Glocken

Lesedauer: 4 Minuten

Ein kleiner Schatz im Kirchenspeicher

Die vier Glocken im Dörlinbacher Kirchturm sorgten in der jüngeren Vergangenheit immer wieder für Schlagzeilen. Zuletzt im Jahre 2021. Das „Corpus Delicti“ war der nächtliche Glockenschlag. Schon Ende 2019 empfanden einige Bürgerinnen und Bürger, die in unmittelbarer Nähe der Kirche wohnen, dass die Glocken viel zu laut schlagen würden. Doch dazu später mehr. Zunächst wollen wir uns einer weiteren Glocke widmen, die seit dem Patronatsfest Ende Juni 2022 allerdings nur auf Wunsch im Inneren des Gotteshauses erklingt.

Glockenweihe im November 1958: Das vierstimmige Geläut der Glockengießerei Friedrich Wilhelm Schilling wurde in Heidelberg aus Bronze gegossen.
Sie ist ein wahres Juwel und wurde als Überraschung zu „100 Jahre Kirche in Dörlinbach“ angekündigt. Im Rahmen des Hochamts zum Johannisfest wurde die im Jahre 1780 von Beniamin Grieninger in Villingen gegossene Glocke feierlich enthüllt. Lange Zeit schlummerte sie im Kirchenspeicher. Geriet jedoch nicht bei allen in Vergessenheit, denn auf der Glocken-Seite des Erzbistums Freiburg heißt es dazu: „Eine Wiederinbetriebnahme dieser Glocke ist aus denkmalpflegerischer und heimatkundlicher Sicht anzustreben“.
Anfang 1959 wird die Glocke der Heiligen Dreifaltigkeit am neuen Turm hochgezogen. Sie hat einen Durchmesser von 1155 Millimeter und wiegt stattliche 1037 Kilogramm.
Außenwandgemälde in der Brandhalde (Anwesen Kaspar). Hans Buschs Erstlingswerk an Dörlinbachs Hauswänden, das er im August 1975 fertigstellte.
Glockenweihe im November 1958: Das vierstimmige Geläut der Glockengießerei Friedrich Wilhelm Schilling wurde in Heidelberg aus Bronze gegossen.
Dieser Wunsch ging am 26. Juni 2022 in Erfüllung. Die historische Glocke wurde herausgeputzt, bekam einen „Glockenstuhl“ und hat nun einen festen Platz in der Sankt-Johannes-Kirche. Die Glocke ist übrigens im Deutschen Glockenatlas, Band 4, aufgeführt, weshalb bei der feierlichen Enthüllung erstaunlich viele Details von Dekan Johannes Mette mitgeteilt werden konnten. Und diese beziehen sich nicht nur auf Maße (die Glocke hat einen Durchmesser von 6500 und eine Höhe von 5600 Millimeter) oder den Glockengießer, sondern auch auf die Glockeninschriften und die Glockenzier. Die Glocke hat eine ebene Kronenplatte auf abgesetzter Hohlkehle. Die Haube fällt schräg ab mit einem rundem Schulterübergang. Dort befinden sich bis zu drei Stege Fries aus verschlungenen Ranken, verziert mit Rosetten. Darunter befinden sich zwei liegende Salbeiblätter, dazwischen die Inschrift: BENJAMIN GRIENINGER GOS MICH 1780. Es folgt darunter erneut ein Fries aus großen und kleinen Blüten zwischen Früchten. Die Flanke ist durch einen Steg in zwei Zonen unterteilt. In der unteren ist die Muttergottes mit Krone und das Jesuskind mit der Weltkugel abgebildet, beide mit Rosenkranz auf Wolken. Zweite Zone: Der Heilige Sebastian, ein Schlagring und Halbrundstab sowie fünf dünne Stege. An der Vorderseite des Kronenbügel befindet sich eine Blattmaske.
Klang der Glocke hören
Damit nun die aus Bronze gegossene Glocke überhaupt erklingen kann, braucht sie einen Klöppel, der wie ein Pendel im Inneren hin und her schwingt. Die Glocke, die einst im alten Kirchlein, der Dreifaltigkeitskapelle, die Gläubigen zum Gebet rief, hat natürlich einen solchen Klöppel, der jedoch nicht mehr benutzt werden soll beziehungsweise benutzt kann. Dennoch haben die Besucherinnen und Besucher der Pfarrkirche St. Johannes die Möglichkeit die Glocke erklingen zu lassen. Eigens dafür wurde auf der linken Seite des speziellen Glockenstuhls ein Hammer angebracht, der die Klöppel-Funktion übernimmt und bei richtigem Anschlagen bis zu drei unterschiedliche Töne erzeugen kann. Bei der Enthüllung blieb natürlich eine solche Klang-Demonstration nicht aus. Und so erklang nach gut 100 Jahren die Glocke an alter Stätte wieder. Allerdings nicht hoch oben im kleinen Glockenturm der Dreifaltigkeitskapelle, sondern unten etwa einen Dreiviertelmeter über dem Boden hängend – ummantelt von den Mauern des neuen Gotteshauses. Oben im Kirchturm tun weiterhin vier Glocken ihren Dienst und ertönen übers Dorf hinweg. Jedoch nur die erste und größte Glocke kann sich mit der Glocke aus dem Jahre 1780 messen. Sie ist – wohl als Hommage an das alte Kirchlein – der Heiligen Dreifaltigkeit gewidmet. Diese von der Gemeinde Dörlinbach gespendete Glocke hat einen Durchmesser von 1155 Millimeter und wiegt stattliche 1037 Kilogramm. Die zweite Glocke mit einem Gewicht von 611 Kilogramm und einem Durchmesser von 962 Millimeter hat bereits kleinere Ausmaße als die historische Glocke. Sie ist übrigens eine großzügige Spende von Anton Singler (Jahrgang 1882) aus dem Durenbach, der 1907 nach Amerika auswanderte. Diese Glocke wurde Johannes dem Täufer geweiht, zugleich auch der Kirchenpatron des neuen Gotteshauses. Für die Kosten der dritten Glocke kam die Kirchengemeinde auf. Sie wurde der Muttergottes geweiht, hat einen Durchmesser von 855 Millimeter und wiegt 412 Kilogramm. Die vierte und somit kleinste Glocke wiegt 240 Kilogramm, hat einen Durchmesser von 708 Millimeter und ist dem Heiligen Josef gewidmet. Gespendet von den damaligen Hofbauern im Durenbach: Alois Ohnemus (1916 bis 1976), Johannes „Hans“ Zehnle (Jahrgang 1934) und Landolin Wilhelm Himmelsbach (Jahrgang 1930). Das vierstimmige Geläut der Glockengießerei Friedrich Wilhelm Schilling wurde im Jahre 1958 in Heidelberg aus Bronze gegossen. In der Melodielinie erklingt das sogenannte Idealquartett, was man mit „sonorem Motiv, volle Klangfülle und einladend“ übersetzen könnte. Die Glockenweihe war am 9. November 1958. Alle vier Glocken sind mit einem Schlagwerk ausgestattet. Hierbei übernehmen die zweite, dritte und vierte Glocke den Viertelstundenschlag, die erste und große Glocke tätigt den Stundenschlag.
Ärger um Glockenschlag
Gut sechs Jahrzehnte lang schlugen so die vier Glocken im Verbund die Stunde, die Viertelstunde, die halbe Stunde und die Dreiviertelstunde – Tag für Tag, Nacht für Nacht. Doch wie bereits erwähnt gab es Ende 2019 erste Proteste, von genervten Nachbarn war die Rede, die nachts wegen der viel zu lauten Glocken nicht richtig schlafen können. Es war der Beginn einer längeren Auseinandersetzung. In der lokalen Presse war gar zu lesen, dass in Dörlinbach wegen der Glocken ein Streit toben würde. Fakt war jedenfalls, die Glocken waren nach geltenden Lärmrichtlinien für die direkten Anlieger des Gotteshauses tatsächlich zu jenem Zeitpunkt zu laut. Belegt wurde dies durch entsprechende Messungen. Und so wurden Anfang des Jahres 2020 erst einmal die Glockenschläge zwischen 22 und 6.59 Uhr gestoppt. Nun hagelte es Proteste von jenen Bürgerinnen und Bürger, die das nächtliche Verstummen der Glocken überhaupt nicht gut fanden. Unterdessen werkelten Fachleute im Glockenturm, die Schallschluck-Bretter wurden repariert und neu justiert, es wurde gedämmt und vieles mehr. Neue Messungen ergaben dann, dass die Grenzwerte tagsüber nicht überschritten werden, aber nachts immer noch. Erneut wurden die Experten zu Rate gezogen. Schließlich gelang es den Glockenschlag lärmtechnisch weiter zu senken mit der Folge, dass nun auch die Werte für die Nacht eingehalten werden konnten. Dennoch musste ein Kompromiss gefunden werden. Denn zu verfahren war inzwischen die Angelegenheit, schließlich sollte keine Seite als „Verlierer“ dastehen. Um beiden Parteien gerecht zu werden wurde im Juli 2021 vorgeschlagen, dass von 22 bis 6 Uhr nur die vollen Stunden von dem Geläut durch die entsprechende Stundenzahl angezeigt wird. Eine Regelung, die bis heute Bestand hat.

Veröffentlicht am 30. Juni 2022 / red / ebfr

Visuelle Impressionen zur Geschichte:

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