Derlebacher G’schichtle Folge 39
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Der „Rösche-Bott“ und die Träume eines Seelbacher Jungen
Karl Rösch (1860 bis 1943) war nicht nur Bäcker und Landwirt, sondern vor allem bekannt als Frachtfuhrmann. Mit seinem Pferdefuhrwerk transportierte er Stückgut zwischen Seelbach und den talaufwärts liegenden Ortschaften. Hin und wieder fuhr er auch durch die Stadt Lahr. Er galt als unauffälliger Mann, mittelgroß mit einem leicht gebeugten Rücken und einem grimmigen Gesichtsausdruck, der bei den Kindern keine Sympathien hervorrief.

Diese hatten oft ihre Scherze mit ihm getrieben, indem sie Gegenstände an seinen Wagen banden oder seine Räder sabotierten. Trotz dieser Bärbeißigkeit hatte der „Rösche-Bott“, wie er in Dörlinbach genannt wurde, das Herz eines kleinen Jungen aus Seelbach gewonnen. Der Bub träumte davon, selbst Fuhrmann zu werden und eines Tages respektvoll durch das Tal zu kutschieren, hoch oben auf dem Bock seines eigenen Wagens. Dieser Traum sollte jedoch bald jäh enden.
Eines Tages schlüpfte der Junge heimlich auf den Wagen des Rösch, als dieser im Wirtshaus „Zum Bären“ verweilte. Voller Stolz schwang er sich auf den Bock und ahmte ihn nach, schnallte die Zügel und rief wie ein echter Fuhrmann. Doch die Pferde setzten sich unkontrolliert in Bewegung und galoppierten talaufwärts. In Panik versuchte der Junge, die Tiere zu stoppen, was nur zu mehr Tempo führte. Schlussendlich sprang er aus dem fahrenden Wagen – eine Entscheidung, die ihn in Sicherheit brachte.
In Wittelbach sah der Ochsenwirt das führerlose Gespann heranbrausen und wusste sofort, wessen Fuhrwerk es war. Er informierte den Rösch, den er treffend im Ochsen vermutete. Wenig später fuhr dann Rösch im Auto des Doktors vor, der gerade im Tal unterwegs war. Der „Rösch-Bott“ stieg krebsrot im Gesicht und voller Zorn über den verantwortlichen Lausbuben aus dem Auto des Doktors aus und legte danach im Wirtshaus „Zum Ochsen“ den nächsten Halt ein, schließlich mussten sich seine Pferde erst einmal von den Strapazen erholen. Der Junge war indes brav zu Hause angekommen und ging fortan dem „Rösche-Bott“ aus dem Weg. Von diesem Tag an war sein Kindheitstraum vom Fuhrmann endgültig vorbei. So lehrte ihn das Abenteuer, dass Träume manchmal zu schnell Wirklichkeit werden – und dass man seine Idole besser aus sicherer Entfernung bewundern sollte.
Veröffentlicht am 28. November 2023 / red
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