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Derlebacher G’schichtle Folge 56

Lesedauer: 4 Minuten

Auf den Spuren eines einzigartigen Liedes

In Dörlinbach gibt es ein ganz besonders Lied, das seinesgleichen sucht! Zwar teilen sich noch zwei andere Orte in Deutschland den Brauch des Neujahransingens, doch jeder hat sein eigenes, einzigartiges Lied – genau wie hier in Dörlinbach! Ganz in der Nähe liegt Ottenheim, wo die Leute ebenfalls nach Mitternacht durch die Straßen ziehen und das neue Jahr mit fröhlichem Gesang begrüßen. Dort hat man dem Brauch frischen Wind eingehaucht, indem sich die Dorfbewohner um Mitternacht in der Ortsmitte versammeln, um gemeinsam in den frühen Stunden des neuen Jahres zu singen.
Derlebacher Gschichtle Folge 56

Auch wir in Dörlinbach hatten ähnliche Pläne, allerdings fehlte uns bis dato die Umsetzung. Doch zu Beginn des Festjahres „800 Jahre Dörlinbach“ setzen wir unseren Plan in die Tat um. Genauere Informationen dazu findet ihr im frisch veröffentlichten Blog-Beitrag „Singend begrüßt Dörlinbach das Festjahr 2025“ vom 2. Januar 2025. Ein wundervoller Auftakt für ein Jahr, in dem wir unsere stolze 800-jährige Geschichte feiern wollen. Bei diesem gemeinsamen Ansingen stützten wir uns auf den Text aus dem Heimatbuch von 1995.

Derlebacher Gschichtle Folge 56
Außenwandgemälde in der Brandhalde (Anwesen Kaspar). Hans Buschs Erstlingswerk an Dörlinbachs Hauswänden, das er im August 1975 fertigstellte.
Derlebacher Gschichtle Folge 56

Doch halt! Da gab es eine überraschende Wendung im Bezug auf den Liedtext. Die vermeintliche „Ur-Version“ aus dem Heimatbuch ist, wie viele gedacht haben, nicht das Original. Dies könnt ihr ebenfalls nachlesen im Blog-Beitrag „Die Ur-Version liegt nun wieder vor“ vom 11. Januar 2025. Aber eine Frage blieb noch ungeklärt: Wer ist der Komponist?

Neue Erkenntnisse zu Anton Schüssele
Der Name des Komponisten, Anton Schüssele, taucht im Familienteil des Heimatbuchs gleich sieben Mal auf. Nach eingehender Untersuchung der Daten kamen wir von der Redaktion zu dem Schluss, dass Anton Schüssele, der Ur-Opa des bekannten Musikers und Instrumentenbauers Franz Schüssele (Jahrgang 1952), der Verfasser des Liedes gewesen sein muss. Dabei ließen wir einen ledigen Tagelöhner außen vor, der von 1832 bis 1905 lebte – es schien uns unmöglich, dass er das Neujahrslied geschaffen haben könnte, zumal wir annahmen, dass das Lied um 1900 entstanden sei. Doch Gespräche mit älteren Dorfbewohnerinnen und Dorfbewohnern ergaben nun, dass sich einige wenige doch noch gut an jenen Anton Schüssele erinnern konnten, der angeblich das Neujahrslied geschrieben hat. Darunter Wilhelm Wangler, Jahrgang 1935, der berichtete: „Hoppla, das war doch ein lediger Mann!“ Doch keine Sorge, klärt er auf, „das ist nicht der ledige Tagelöhner, den ihr ohnehin schon außer Acht gelassen habt! Der Gesuchte ist der Bruder von Pfarrer Leo Schüssele (1885 bis 1947), der am 5. Juli 1908 seine Heimatprimiz im benachbarten Schweighausen feiern konnte.“
Ein Gemeinschaftswerk zweier Brüder

Somit fällt der Verdacht auf jenen Anton Schüssele, der von 1890 bis 1962 gelebt hat, als den möglichen Verfasser des Dörlinbacher Neujahrslieds. Aber das ist noch nicht alles! Wilhelm teilt uns weiter mit, dass auch Antons Bruder Leo beim Texten und Komponieren mitgewirkt haben könnte. Das klingt durchaus plausibel, wenn man die wiederholte Erwähnung von segensreichen Figuren wie der Mutter Jesu und den Schutzengeln im Text betrachtet. Dies scheint den Wunsch nach spirituellem Beistand und die familiäre Verbundenheit zu unterstreichen. Die Verwirrung rund um den Komponisten scheint nun also geklärt zu sein. Das einzigartige Lied ist wohl ein gemeinsames Werk der Brüder Anton und Leo Schüssele. Die Entstehung lässt sich wahrscheinlich zwischen 1905 und 1910 einordnen, denn danach führte Leos Weg als Geistlicher fortan immer weiter weg von Dörlinbach. Wer noch mehr über den faszinierenden Geistlichen erfahren möchte, sollte unbedingt im Blog-Beitrag „Pfarrer Leo Schüssele“ vom 13. März 2021 nachlesen – dort gibt es noch viele interessante Details zu seiner Person zu entdecken!

Veröffentlicht am 22. Januar 2025 / red

Visuelle Impressionen zur Geschichte:

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