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Gasthaus zum Engel

Lesedauer: 5 Minuten

Trinkstube aus dem 14. Jahrhundert

Wesentlich älter als das Gasthaus „Zum Löwen“ ist das Gasthaus „Zum Engel“. Fest steht jedenfalls, dass es in Dörlinbach schon im 14. Jahrhundert eine Trinkstube gab aus der das heutige Gasthaus „Zum Engel“ hervorging. In der Nennung von Wirten hat allerdings der „Löwen“ die Nase vorn. Als erste Wirte auf dem „Löwen“, damals ein aus Holz erbautes Bauernhaus mit einer Bauernstube, die auch als Wirtschaftsraum genutzt wurde, werden Philipp Kern (Geburtsdatum nicht bekannt, gestorben 1714) und Georg Kern (Geburtsdatum nicht bekannt, gestorben 1728) genannt.

Alte Postkarten-Ansicht vom Gasthaus „Zum Engel“. Die Postkarte gibt es als Einzelkarte, aber auch als Doppelkarte – also zwei Fotos auf einem Postkartenformat.
Die beiden waren quasi bereits verstorben als mit Franz Anton Singler (1787 bis 1861) in den Annalen erscheint. Singler ist als „braver Mann“ überliefert und hat auch beim Spanischen Feldzug mitgemacht. Er stammt vom Engelhof im Durenbach und wird im Familienteil des 1995 erschienen Dörlinbacher Heimatbuchs nicht nur als Engelbauer, sondern auch als Engelwirt benannt. Dies galt zunächst als die älteste Nennung eines Engelwirts. Franz Anton heiratete im Januar 1822 Barbara Singler (1796 bis 1870) mit der er zehn Kinder hatte.
Alte Postkarten-Ansicht vom Gasthaus „Zum Engel“. Die Postkarte gibt es als Einzelkarte, aber auch als Doppelkarte – also zwei Fotos auf einem Postkartenformat.
Außenwandgemälde in der Brandhalde (Anwesen Kaspar). Hans Buschs Erstlingswerk an Dörlinbachs Hauswänden, das er im August 1975 fertigstellte.
Die Infotafel am Gasthaus „Zum Engel“. Sie weist auf die Historie des Gasthauses hin, das aus einer Trinkstube aus dem 14. Jahrhundert hervorging.
Doch beim Durchstöbern der Dörlinbacher Familienlegenden stießen wir auf Anselm Spitz (1775 bis 1841), der ebenfalls als Engelwirt in Dörlinbach bezeichnet wird. Er heiratete am 16. Januar 1804 Luitgard Singler (1774 bis 1848). Seine Ehefrau Luitgard war übrigens die jüngste Tochter von Vogt Matthias Singler (1722 bis 1799) vom Stampferhof in Höfen. Anselm Spitz ist somit die älteste bekannte Nennung. Anselm ist vermutlich jedoch nur eine kurze Zeit der Chef auf dem „Engel“ gewesen. Von seinen neun Kindern wurde eines tot geboren, vier starben innerhalb der ersten beiden Jahre. Die anderen Vier heirateten und erlernten Berufe außerhalb der Gastronomie. Keines der Kinder erscheint somit als künftiger Nachfolger als Engelwirt. Es ist zu vermuten, dass Anselm Spitz das Gasthaus an Franz Anton Singler vom Engelhof im Durenbach verkauft hat. Nach Singler taucht im Heimatbuch Landolin Billharz (1809 bis 1875) als nächster Engelwirt auf. Er ist der älteste Bub von Vater Landolin Billharz (1777 bis 1817), der mit Maria Franziska (1783 bis 1832), eine geborene Offenburger, sieben Kinder hatte. Interessant auch deren jüngstes Kind Bernhard (1818 bis 1868) wurde Gastwirt. Bernhard reihte sich in die Riege der Adlerwirte in Schuttertal ein. Zurück zu Landolin Billharz, der im Mai 1850 Franziska Griesbaum (1817 bis 1875) heiratete. Sie gebar im sieben Kinder. Die drei ältesten Buben starben alle im ersten Lebensjahr. Die erste und zugleich einzige Tochter hieß wie ihre Mutter ebenfalls Franziska (1858 bis 1882). Sie heiratete im April 1876 Andreas Wangler (1852 bis 1883), der somit zum neuen Engelwirt wurde. Sie hatten zusammen sechs Kinder, wovon allerdings fünf bereits im Kindesalter verstarben. Erneut sollte sich der Familienname der Wirtsleute ändern. Jedoch nicht durch deren ältesten Tochter, die heiratete nämlich nach Schuttertal, sondern durch den Verlust des Gasthauses. Der „Engel“ wurde im Jahre 1876 versteigert . Der bisherige Dörlinbacher Engelwirt blieb jedoch seiner Zunft treu und zog nach Sieglau, wo er zum Bärenwirt wurde.
Nagelschmied Wilhelm Grimm ersteigerte den „Engel“

Neuer Engelwirt in Dörlinbach wurde der Nagelschmied Wilhelm Grimm (1847 bis 1926). Von da an wurde das Gasthaus „Zum Engel“ von Generation zu Generation von den Grimms weitergeführt. In jener Zeit kurz nach der Jahrtausendwende wurden im „Engel“ nicht nur Bierschoppen ausgeschenkt, im großen Saal des Gastronomiebetriebs wurden nun Zigarren gedreht. Denn der Oberweierer Fabrikant Franz Geiger (1871 bis 1918) begann dort im August 1904 mit der Zigarrenherstellung. Wilhelm Grimm hatte mit Ehefrau Paulina (1852 bis 1912), eine gebürtige Weber aus Schuttertal, acht Kinder. Der Drittälteste Anton (1887 bis 1954) erlangte als Sohn des damaligen Engelwirts einen zweifelhaften Ruhm. Er narrte im Jahre 1911 die Dorfoberen samt dem Bürgermeister Anton Wangler (1862 bis 1939) mit einem vermeintlichen Hasenbraten à la Paris, den er allerdings aus Katzen hervorgezaubert haben soll. Dieser lustigen Geschichte haben wir einen eigenen Blog-Beitrag gewidmet. Zu finden unter Derlebacher G’schichtle – Folge 19 – „Ein wahrlich schmackhafter Hasenbraten“ vom 10. März 2022. Natürlich wäre ein solcher Vorfall, wenn er tatsächlich so stattgefunden hatte, keine Visitenkarte für einen künftigen Engelwirt gewesen. Aber dieses Ansinnen hatte Anton sowieso nicht. Ihn zog es erst einmal wieder weg aus Dörlinbach ins ferne Amerika. Nachfolger als Chef auf dem „Engel“ wurde Antons zweieinhalb Jahre jüngerer Bruder Otto (1890 bis 1954). Es war zugleich die Zeit, wo sich im Engelsaal das Theaterspiel etablierte. Bis zum Bau der Turn- und Festhalle im Jahre 1985 sollte der „Engel“ die Topadresse für das Laienschauspiel im Ort bleiben (siehe auch unter Blog-Beitrag „Über 100-jährige Theatertradition“ vom 10. Juli 2021). Otto Grimm vermählte sich im Februar 1923 mit Helena Spothelfer vom Langenhard. Sie gebar ihm zwei Söhne. Der jüngste Sohn Hermann (1925 bis 1984) folgte letztlich als Gastwirt-Nachfolger auf dem „Engel“. Der „Engel“ bekam in den Folge ein neues Antlitz. Ein Café wurde angebaut und in dessen Untergeschoss wurde eine Kegelbahn installiert. In der 1980er-Jahren wurde das Gasthaus renoviert. Die Kegelbahn, die heute nicht mehr in Betrieb ist, wurde übrigens bei zwei sogenannten Jahrhunderthochwassern, arg geschädigt (siehe auch unter Blog-Beitrag „Wenn die Schutter überschwappt“ vom  20. Juli 2021).

Schwarzwälder Kirschtorte und Wildspezialitäten
Aus der Ehe von Hermann Grimm mit Luitgard (1930 bis 2010), eine geborene Singler, gingen vier Buben hervor. Der Älteste Reinhold Stephan (Jahrgang 1950), der auch bei seinem Vater in die Lehre ging, sollte den Gastronomiebetrieb einmal übernehmen. Vor allem dessen Schwarzwälder Kirschtorten lockten seinerzeit die Gäste ins Café. Doch zur Übernahme des „Engels“ sollte es letztlich nie kommen. Sohn Reinhold hatte andere Pläne. So kam es, dass der Zweitjüngste Martin Josef (Jahrgang 1958), den Beruf als Koch erlernte und schließlich im Jahre 1980 das Gasthaus „Zum Engel“ übernahm. Martin Grimm erlangte vor allem durch seine Wildspezialitäten schnell einen Namen. Der Zweitälteste Hermann Otto (Jahrgang 1952) hingegen entschied sich für einen beruflichen Werdegang außerhalb der Gastronomie. Der jüngste Spross Ulrich (Jahrgang 1963) war in all den Jahren immer in den elterlichen und später in den Betrieb seines Bruders Martin integriert und ist bis heute so etwas wie die „gute Seele“ in dem Gastronomiebetrieb.

Wirte auf dem „Engel“:

  • Anselm Spitz (1775 bis 1841)
  • Franz Anton Singler (1787 bis 1861)
  • Landolin Billharz (1809 bis 1875)
  • Andreas Wangler (1852 bis 1883)
  • Wilhelm Grimm (1847 bis 1926)
  • Otto Grimm (1890 bis 1954)
  • Hermann Grimm (1925 bis 1984)
  • Martin Josef Grimm (Jahrgang 1958)

Veröffentlicht am 25. Juli 2022 / red

Visuelle Impressionen zur Geschichte:

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