Gasthaus zum Löwen
Von der Bauernstube zum Speiselokal
Die Geschichte der Gasthäuser geht bis in die Antike zurück. Mit einfachen Stuben, in denen Gäste beziehungsweise Reisende bewirtet wurden, hat alles begonnen. In Dörlinbach können wir allerdings nicht so weit zurückblicken, aber es gab schon im 14. Jahrhundert eine Trinkstube aus der das heutige Gasthaus „Zum Engel“ hervorging (dem werden wir uns noch in einem gesonderten Blog-Beitrag widmen) und es gab ein aus Holz erbautes Bauernhaus mit einer Bauernstube, die auch als Wirtschaftsraum genutzt wurde.
Die Wehrles standen vor dem Nichts. Trotz aller Nöte wagten sie einen Neuanfang. Auf einer davor liegenden Hauswiese errichteten in den Jahren 1893 und 1894 Nikolaus und Josefine Wehrle das heutige „Löwen“-Gebäude. Schon im alten „Löwen“ hatte Nikolaus Wehrle neben der Gaststube einen Bäckerladen geführt, den er im neuen „Löwen“ zu einem Kolonialwarenladen erweiterte. Und im Jahre 1912 gründeten die Wehrles, die inzwischen zu einer Großfamilie angewachsen sind, eine Teigwarenfabrik (siehe dazu auch unter Blog-Beitrag „Nudelherstellung in Dörlinbach vom 21. Mai 2022“). Alles schien gut zu gehen, der Neuanfang war geglückt. Aber 1912 war zugleich jenes Jahr, in dem am 10. August das Schicksal ein zweites Mal zuschlagen sollte. Nikolaus Wehrle stürzte vom Heustock und brach sich dabei das Genick. Der Teigwarenfabrik wurde im Jahre 1930 eine Bäckerei angeschlossen. Zwei Jahre später wurde schließlich der Besitz an die fünf Söhne von Nikolaus und Josefine Wehrle aufgeteilt. Die Teigwarenfabrik samt Bäckerei übernahmen die Brüder Oskar (1897 bis 1983), Emil (1900 bis 2002) und Karl (1892 bis 1955). Sohn Rudolf (1896 bis 1985) erhielt die Landwirtschaft. Das Gasthaus „Zum Löwen“ ging an Sohn Friedrich (1895 bis 1982), der im Ort meist nur Fritz gerufen wurde. Er hatte das Küferhandwerk erlernt und arbeitete viele Jahre in eigener Werkstätte im Keller. Die Betreuung der „Löwen“-Gäste oblag in dieser Zeit weitgehend seiner Frau Amalia, eine geborene Hämmerle (1908 bis 1992), eine Tochter des damaligen „Sonne“-Wirts in Schweighausen. Der zweitjüngste Sohn von Fritz und Amalia, Karl Wilhelm (1940 bis 2020), den alle nur Willi nannten, heiratete im September 1964 in St. Märgen die aus Reichenbach stammende Thekla Maria Magdalena Rappenecker (1944 bis 2021). Zwei Jahre später erfolgte die Übergabe an Willi und Thekla Wehrle. Niemand konnte zu dem Zeitpunkt erahnen, dass sie die letzte Wirte-Generation auf dem „Löwen“ sein werden. Willi als Metzgermeister und Koch sowie Ehefrau Thekla als Restaurant-Fachfrau kümmerten sich seit der Übernahme nicht nur um das Wohl ihrer Gäste, sondern gaben dem „Löwen“ auch ein neues, moderneres Erscheinungsbild.
Mehrere vorteilhafte Veränderungen
200 Jahre „Löwen“ gefeiert
Als im Jahre 1988 groß der 200. Geburtstag des „Löwen“ gefeiert wurde, beriefen sich die Wehrles auf den Kirchenbuch-Eintrag von 1788, der Anton Rösch aus Biederbach als vermeintlich ersten „Wirt des Löwens“ ausweist. Das vor den Röschs es aber schon drei „Löwen“-Wirte mit dem Familiennamen Billharz gab, war offensichtlich nicht bekannt. Die Feierlichkeiten waren damals ganz auf die Röschs und Wehrles ausgelegt. Den Hauptschwerpunkt bildeten dabei die Wehrle-Genrationen. Unter anderem wurden die 200 Jahre mit einer „Badischen Spezialitäten-Woche“ gefeiert, die zugleich die Leistungsfähigkeit der „Löwen“-Küche untermauern sollte. Manche ältere Bürgerinnen und mancher Bürger erinnern sich vielleicht noch daran. Vielleicht auch an die „Schuttertäler Gerstensuppe“ – eine von vielen Spezialitäten, die damals alle aus eigener Produktion kamen. Die Jubiläumswoche nahmen die damaligen Wirtsleute auch zum Anlass zu einem zweiten Wehrle-Treffen nach Dörlinbach einzuladen. Die Wehrles waren seinerzeit vor allem in Südbaden und Westfalen ansässig. Infos zu deren allererstem Wehrle-Treffen im Jahre 1986 gibt es übrigens unter dem Blog-Beitrag „Erinnerungen an die Ahnen“ vom 3. April 2022.
Thekla und Willi Wehrle hatten vier Kinder – alles Mädels. Zwei der Töchter wendeten sich beruflich der Gastronomie zu, aber weder sie noch die anderen beiden Töchter übernahmen zu einem späteren Zeitpunkt das elterliche Speiselokal. Die Ära Wehrle auf dem „Löwen“ endete noch vor der Jahrtausendwende. Zwar fand sich für kurze Zeit noch einmal mit Horst Rein aus Herbolzheim ein Pächter, aber schon kurz nach dem Beginn des neuen Jahrtausend stand das Gasthaus erst einmal leer. Die letzte Großveranstaltung im „Löwen“ datiert aus dem Jahr 1999 – ein internationales Gold-Winger-Treffen (siehe dazu unter Blog-Beitrag „Gold-Wings on Tour“ vom 3. Mai 2021). Klaus Faißt übernahm schließlich im Jahre 2005 als neuer Besitzer das „Löwen“-Areal. Faißt, ein gebürtiger Dörlinbacher, der mittlerweile in Seelbach lebt, hält seither den Geist des ehemaligen Gasthauses wach, bietet die Lokalität unter anderem für Feste und Feiern an. Unter anderem fanden in den Jahren 2017 bis 2019 auch mal wieder Fasnachtsveranstaltungen im „Löwen“ statt. Und einmal in der Woche – anfangs freitags, später samstags – öffnete er auch den „Löwen“ für Gäste.
Die „Löwen“-Wirte ab dem 18. Jahrhundert:
- Philipp Kern (Geburtsdatum nicht bekannt, gestorben 1714)
- Georg Kern (Geburtsdatum nicht bekannt, gestorben 1728
- Johann Georg Billharz (1685 bis 1713)
- Andreas Billharz (1705 bis 1767)
- Placidus Billharz (1732 bis 1800)
- Anton Rösch (Geburtsdatum nicht bekannt, gestorben 1831)
- Joseph Rösch (1788 bis 1847)
- Wilhelm Rösch (1824 bis 1906)
- Nikolaus Wehrle (1864 bis 1912)
- Friedrich Wehrle, genannt Fritz (1895 bis 1982)
- Karl Wilhelm Wehrle, genannt Willi (1940 bis 2020)
Veröffentlicht am 4. Juli 2022 / red / whcr
Visuelle Impressionen zur Geschichte:
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