Seite wählen

Radfahrverein „Schutterbund“ Dörlinbach

Lesedauer: 6 Minuten

Ältester Verein im Ort

Die Geschichte des ältesten Vereins im Ort beginnt am 12. Mai 1907 und liest sich für heutige Verhältnisse sehr ungewohnt und streng. An jenem Tag trafen sich 19 sportbegeisterte Bürger im Gasthaus „Zum Löwen“ zur Gründungsversammlung. Nach den in dieser Versammlung festgelegten Statuten sollte der Verein den Namen „Radfahr-Verein Schutterbund“ führen. Als Zweck wurde die „Förderung des Radsports“ sowie die „Gemütliche Unterhaltung“ genannt.

Mit dem Kunstradfahren kam in den 1980er-Jahren ein neuer Impuls in den Verein. Das Foto zeigt Kunstrad-Sportlerinnen bei Meisterschaften in der heimischen Halle.
Die Aufnahme in den Verein sowie auch der Austritt eines Mitglieds unterlagen damals strengen Regeln. Das Mitglied musste sich unter anderem verpflichten, dem Verein mindestens zwei Jahre anzugehören. Bei einem vorzeitigen Austritt ohne triftigen Grund musste der Betreffende zehn Mark berappen. Nach den Statuten schuf die Veranstaltung auch eine sogenannte „Fahrordnung“ für Vereinsfahrten. Demnach wurde auch die Zusammensetzung der Fahrkolonne festgeschrieben.
Impressionen vom Korso-Umzug anlässlich der 90-Jahr-Feier durchs Dorf. Die Feierlichkeiten fanden in und um die Festhalle statt.
Außenwandgemälde in der Brandhalde (Anwesen Kaspar). Hans Buschs Erstlingswerk an Dörlinbachs Hauswänden, das er im August 1975 fertigstellte.
Impressionen vom Korso-Umzug anlässlich der 90-Jahr-Feier durchs Dorf. Die Feierlichkeiten fanden in und um die Festhalle statt.
Weiter durfte die Fahrgeschwindigkeit höchstens 15 Kilometer pro Stunde betragen. Durch die Ortschaft durfte zudem nur einreihig mit einem Abstand von zwei Radlängen in mäßigem Tempo gefahren werden. Das Vorfahren über die Kolone hinaus wurde nur in dringenden Fällen gestattet, wobei der Vorausfahrende mit „Komme links“ anzurufen war. Aus den Wahlen bei der Gründungsversammlung ging Josef Grimm (1881 bis 1942) als Vorsitzender hervor. Schon nach traten die Dörlinbacher Radsportler zu den Veranstaltungen in einheitlicher Kleidung an. Im Jahre 1910 übernahm Anton Faißt (1880 bis 1918) den Vorsitz, den er bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs inne hatte. Unter seiner Führung nahm der Verein erstmals an den zur damaligen Zeit noch häufig in der Region stattfindenden Radsport-Wettbewerben teil. In drei Disziplinen wurde damals gestartet: Rennfahren, Langsamfahren und Formationsfahren. Letzteres wird heutzutage Korsofahren genannt. Ein erster sportlicher Höhepunkt ließ nicht lange auf sich warten: Bei einem Wettbewerb in Seelbach holte sich der Verein im Jahre 1910 einen ersten Platz. Im Jahr darauf trug der Verein erstmals eigene Wettbewerbe aus. In alten Protokollbüchern ist dazu nachzulesen, dass am 21. Mai 1911 um fünf Uhr morgens das erste Radrennen zum Hubhof bei Wittelbach und zurück gestartet wurde. Das Rennen fand im Rahmen eines Festes statt, dessen Höhepunkt jedoch der anschließende Festzug und das damit verbundene Formationsfahren war. Zudem erfolgte an diesem Tag die Fahnenweihe. Der Banner begleitete fortan den Verein bei wichtigen Anlässen und Veranstaltungen.
Schon früh waren Frauen mit dabei

Schon 1913 zählte der Verein rund 60 Mitglieder, die nahezu alle auch im Verein tätig waren. Das Ungewöhnliche für die damalige Zeit war jedoch, dass zahlreiche Frauen dazu gehörten, wie unter anderem auch das Bild anlässlich der Fahnenweihe eindrucksvoll belegt. Im Jahre 1914 wurde dann mit dem Kriegsbeginn die Vereinstätigkeit jäh unterbrochen. Nach den Wirren der Nachkriegszeit fanden sich erst im Jahre 1920 wieder Frauen und Männer für einen Neubeginn zusammen. Unter ihnen war allerdings nicht der frühere Vorsitzende Anton Faißt, der ist im Ersten Weltkrieg gefallen. Hermann Billharz (1888 bis 1956) übernahm den Vorsitz und übte dieses Amt bis ins Jahr 1938 aus. Für ein Jahr leitete dann der langjährige Stellvertreter Josef Stöhr vom Unterrain (1981 bis 1967) die Geschicke des Vereins bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs im Herbst 1939. Zugleich rettete Stöhr das Eigentum des Vereins, darunter zahlreiche Pokale, über die nachfolgenden Kriegsjahre hinweg. Das Vereinsleben kam zu Beginn des Krieges völlig zum Erliegen. Erst am 23. März 1953 fand die erste Versammlung des Radfahrvereins in der Nachkriegszeit statt. 40 Männer bekundeten an diesem Tage ihre Mitgliedschaft, aber keine einzige Frau war dieses Mal beim „Neustart“ dabei. Den Vorsitz übernahm Hermann Faißt (1905 bis 1970), der bis zu seinem Tode die Geschicke des Vereins lenkte. 1970 übernahm dessen bisheriger Stellvertreter Andreas Reith (1946 bis 1972) das Ruder des Dörlinbacher Radfahrvereins. Trotz anhaltender Nachwuchsprobleme im sportlichen Bereich, die seit der Neugründung zu verzeichnen waren, war erstmals ein eine Aufwärtsentwicklung im Verein erkennbar. Nach zehn Jahren im Amt gab Reith den Vorsitz an Walter Hollstein (1935 bis 2020) ab, der letztlich die erhofften neuen Impulse in die Reihen des Vereins brachte. Neben dem Kunst- und Korsofahren kam nun auch noch die Abteilung Wandern hinzu. Die Wandergruppe hatte letztlich die Idee, in Dörlinbach eigene Wandertage zu veranstalten. Hollstein etwas skeptisch, aber er ließ die Gruppe gewähren – auf eigenes Risiko. Und so kam es zu den ersten Internationalen Volkswandertagen im Schuttertal. Es war ein voller Erfolg, denn an der ersten Veranstaltung konnten 1662 Teilnehmer registriert werden. Die Internationalen Volkswandertage fanden fortan jedes Jahr im Oktober statt (siehe dazu auch unter Blog-Beitrag „Internationale Volkswandertage“ vom 14. Juli 2021). Im März 1985 wechselte der Vorsitz erneut. Hermann Josef Rothweiler (Jahrgang 1939) über nahm zu einem Zeitpunkt, als dem Verein rund 30 Korsofahrerinnen und -fahrer hatte. Der Aufwärtstrend hielt an. Unter anderem wuchs die Wandergruppe zeitweilig bis auf 60 Mitglieder an. Zudem kam der Verein im obersten Geschoss der Alten Schule zu einer eigenen Bleibe, die „Radlerstube“ genannt wurde. Hermann Rothweiler gab im Frühjahr 1993 den Vorsitz an Helmut Völker (1955 bis 2021) ab. Der Schwerpunkt lag fortan auf der Korsoabteilung, die mehrere Bezirksmeisterschaften einfahren konnte. Und natürlich auf der Wandergruppe und den eigenen Volkswandertagen. Die Kunstradabteilung, die immerhin auch Bezirksmeister hervorbrachte, musste wegen Nachwuchsproblemen aufgelöst werden. Im Jahre 2013 übernahm Irmgard Ohnemus (Jahrgang 1961) den Vorsitz. Keine leichte Aufgabe, zumal es zu jenem Zeitpunkt auch Querellen im Verein gab. Diese konnten jedoch geräuschlos beigelegt werden. Mit ein Verdienst der neuen Vorsitzenden, die 2017 noch einmal eine Unstimmigkeit innerhalb des Vorstands glätten musste. Im Verein selbst galt das Augenmerk insbesondere auf der zu jenem Zeitpunkt überaus aktiven Wandergruppe und auf den Volkswandertagen im Herbst. Nach 26 Jahren Vorstandstätigkeit, davon sechs Jahre als Vorsitzende, war letztlich Schluss für Ohnemus. Sie gab die Vereinsspitze im August 2019 an Gerhard Schmidt ab. Der „Neue“ führte sogleich einen Radler- und Wandertreff an der Prinschbachhütte ein. Bei diesen Treffs sollten Mitgliedern sowie Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit gegeben werden, sich zu informieren und sich über Rad und Wandern auszutauschen.

Zuletzt nur noch im Wandern aktiv
Schmidt wollte Dörlinbachs ältestem Verein auch wieder eine sportliche Perspektive mit Radveranstaltungen geben. Denn nach den Kunstrad-Sportlerinnen und -Sportler haben auch die Korsofahrerinnen und -fahrer noch vor der Jahrtausendwende ihre Aktivitäten eingestellt. Es verblieb quasi als einziges Standbein das Wandern. Die Corona-Pandemie sollte jedoch in den Folgejahren die Aktivitäten des Radfahrvereins erheblich einschränken. Mit dem Wandern war vorerst einmal Schluss. In den Jahren 2020 und 2021 konnten keine IVV-Wandertage mehr in Dörlinbach veranstaltet werden. Mitten in der Pandemie kam es zudem zu einem erneuten Wechsel an der Vereinsspitze. Gerhard Schmidt stellte sich nach nur einer Amtsperiode nicht mehr zur Wahl und machte damit den Weg frei für weitere Frauenpower. Seit Oktober 2021 ist nach Irmgard Ohnemus, die von 2013 bis 2019 die Geschicke des Vereins lenkte, nun Bianca Wacker die zweite Frau als Vorsitzende in der Geschichte des Dörlinbacher Radfahrvereins, die dieses Amt inne hat. Ihr zur Seite steht Klaus Winterer als stellvertretender Vorsitzender. Das neue Duo an der Vereinsspitze will vor allem das Wandern im Verein wieder aufleben lassen. Unter anderem wurde auch schon darüber nachgedacht, den Verein in Radfahr- und Wanderverein umzubenennen. Ende Oktober 2022 fand nach der Corona-Zwangspause erstmals wieder ein Volkswandertag in Dörlinbach satt. Die Betonung liegt auf Wandertag, statt Wandertage. Denn in den zwei Jahren Pause hat sich viel verändert in der Welt der Wandergruppen und -vereinen. Viele wurden während der Pandemie aufgelöst, vor allem auch im nahen Elsass, von wo immer viele Wanderfreunde nach Dörlinbach zu den Internationalen Volkswandertagen gekommen waren. Nach dem Wegfall der kanadischen Wandergruppen Anfang der 1990er-Jahre ist dies nun ein zweiter folgenschwerer Einschnitt – die Teilnehmerzahlen sinken landauf, landab aufs Neue enorm. Der Dörlinbacher Radfahrverein reduzierte die zweitägige Volkssportveranstaltung auf einen einzigen Tag, nicht zuletzt auch wegen der zur Verfügung stehenden Personaldecke. Dennoch konnte der Verein mit der Fortführung der IVV-Wandertage als nunmehr eintägige Veranstaltung zufrieden sein. 380 Teilnehmerinnen und Teilnehmer standen am Ende zu Buche. Im Vergleich zu den ersten Volkssportveranstaltungen nach der Corona-Pause ein durchaus gutes Ergebnis. Einige kamen nicht einmal auf 200. Laut Verband rechnet man damit, dass künftig die Teilnehmerzahlen sich bei solchen Veranstaltungen zwischen 300 und 400 einpendeln werden. Fest steht jedenfalls jetzt schon, dass am 29. Oktober 2023 die 39. IVV-Wandertage in Dörlinbach stattfinden werden.

Die Vorsitzenden des Vereins:

  • Josef Grimm                         von 1907 bis 1910
  • Anton Faißt                           von 1910 bis 1914
  • Hermann Billharz              von 1920 bis 1938
  • Josef Stöhr                             von 1938 bis 1939
  • Hermann Faißt                    von 1952 bis 1970
  • Andreas Reith                      von 1970 bis 1980
  • Walter Hollstein                  von 1980 bis 1985
  • Hermann Rothweiler        von 1985 bis 1993
  • Helmut Völker                      von 1993 bis 2013
  • Irmgard Ohnemus              von 2013 bis 2019
  • Gerhard Schmidt                 von 2019 bis 2021
  • Bianca Wacker                       seit 2021

Veröffentlicht am 2. November 2022 / red

Visuelle Impressionen zur Geschichte:

Das könnte Dir auch gefallen:

0 Kommentare

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert