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Schmutziger Donnerstag

Lesedauer: 5 Minuten

Der Beginn der närrisch-tollen Tage

Einige nennen ihn schlicht „Schmutziger“, andere wiederum betiteln ihn als „Schmutziger Dunschdig“ – wir sprechen hier vom vielleicht wahren Höhepunkt des Fasnachtsfests im schwäbisch-alemannischen Raum: dem Donnerstag vor Aschermittwoch. Dieser Tag leitet sich nicht nur der Beginn der närrisch-tollen Tage ein, sondern es handelt sich auch um den letzten Schlachttag vor Ostern, der die Gelegenheit bietet, sich einen letzten kulinarischen Schmaus vor der Fastenzeit zu gönnen.

Schmutziger 2003: Impressionen von der Proklamation von der Rathaustreppe. Im Blickpunkt „Oberbremme“ Alois Göppert und der „Fasentslumpi“.
Weiberfastnacht, wie der schmutzige Donnerstag vielerorts auch genannt wird, bringt übrigens eine ausgelassene Tradition mit sich: Die Damen schnappen sich die Krawatten der Herren und schneiden sie kurzerhand ab – ganz nach Brauch! Aber wer will schon wirklich bei jedem Krawattenträger gleich zur Schere greifen? Die Herren sollten besser vorgewarnt sein und im Zweifelsfall eine „schnippel-sichere“ Krawatte tragen, was die meisten in der Tat tun!
Schmutziger 2006: Impressionen von der Schülerbefreiung in der Grundschule. Im Gymnastikraum gab es immer kleine Aufführungen der „Befreiten“.
Außenwandgemälde in der Brandhalde (Anwesen Kaspar). Hans Buschs Erstlingswerk an Dörlinbachs Hauswänden, das er im August 1975 fertigstellte.
Schmutziger 2020: Impressionen vom Narrenbaumstellen in der Dorfmitte. Inzwischen wird der Narrenbaum gegenüber dem „Engel“ aufgestellt.
Bei den Narren hat an diesem Tag ohnehin das traditionelle Nachthemd von Opa die Nase vorn – und was lässt sich da schon abschneiden? Lassen wir uns nun verzaubern von den bunten Bräuchen und Ereignissen des Schmutzigen Dunschdigs, die sich hier in unserem Ort und in der Region von einst bis heute entfalten – mal mehr, mal weniger! Doch bevor wir in die fröhlichen Wirren dieses Tages eintauchen, werfen wir erst einen Blick in die Vergangenheit.
Erst nach den Kriegen nahm die Fasent Fahrt auf

Traditionelle Fasnachtsbräuche? In Dörlinbach gab es die kaum! Zumindest nicht dokumentiert – und die wenigen, die wir fanden, zeigten vor allem verkleidete Schulkinder, die fröhlich durch die Straßen tollten. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg begannen die lokalen Vereine, die närrischen Zügel in die Hand zu nehmen. Sie organisierten Umzüge und schufen damit eine bunte Struktur für das närrische Treiben. Siehe dazu auch unter Blog-Beitrag „Sputnik im Weltall und in Dörlinbach“ vom 1. März 2021. Der entscheidende Wendepunkt? Der war zweifelsohne im Jahre 1979, als die erste Narrenzunft des Ortes ins Leben gerufen wurde (siehe unter Blog-Beitrag „Bremsdorfer Narrenzunft (BNZ) Dörlinbach vom 17. März 2021). Die Fasent kam so richtig ins Rollen. Das närrisch-tolle Treiben erlebte vor allem in den 1980er- und 1990er-Jahren eine Hoch-Zeit – ausgehend vom schmutzigen Donnerstag.

 

Für die Närrinnen und Narren begann der „Schmutzige“ schon in aller Frühe mit einem bunten Treiben auf dem Sandplatz. Dort wartete der Narrenbaum darauf, mit lustigen Verzierungen geschmückt zu werden. Doch bevor es richtig losging, stand ein Besuch in der nebenan liegenden Kindertagesstätte St. Angela auf dem Programm. Die Kindergartenkinder wurden regelrecht „befreit“ und durften fröhlich auf den Sandplatz strömen, um den Narrenbaum mit bunten Fasentsbändele zu verzieren. Nach dieser kreativen Einlage trennten sich die Wege: Die Kindergartenkinder zogen los, durchstreiften den Ort und sammelten fleißig Süßigkeiten, während die Bremsdorfer Närrinnen und Narren in die Grundschule pilgerten, um die Schülerinnen und Schüler aus ihren Schulbänken zu „reißen“ und sie an den närrischen Aktivitäten teilhaben zu lassen. Damals war übrigens das Rathaus noch nicht im Visier der Zunftmitglieder, denn der klassische Rathaussturm, so wie wir ihn heute kennen, war hier noch Zukunftsmusik.

Rathaussturm erst seit 2006

Es sollte bis nach der Jahrtausendwende dauern, bis 2006 der erste große Sturm auf das Dörlinbacher Rathaus folgte – angeführt von den stürmischen „Bremme“, „Schluchwaldhexe“, „Säcklistrecker Gugge“ und dem legendären „Bremmedatscher“. Dieser Einzelgänger übernahm mit einem kessen Lächeln die Kontrolle über die närrischen Geschicke im Rathaus und entmachtete den Bürgermeister. Doch die Freude währte nicht lange: im Jahr 2016 musste diese Tradition überarbeitet werden, denn der „Bremmedatscher“ stellte im Jahr zuvor buchstäblich seinen Dienst ein – und das nicht aus Überarbeitung! Siehe dazu auch unter Blog-Beitrag „Der Bremmedatscher“ vom 30. März 2021.

 

Am Morgen des „Schmutzigen Dunschigs“ wurde bereits die närrische Stimmung auf vielfältige Weise angeheizt. Doch die Bremsdorfer Närrinnen und Narren schalteten am Nachmittag erst recht in den Feiermodus – und das manchmal in grandiosem Stil! Sie zogen durch die Straßen, stets auf der Suche nach den besten Leckereien in den Geschäften und den Wirtshäusern des Dorfes. Sogar beliebte Zunftmitglieder wurden daheim nicht verschont – wer dort aufmarschierte, durfte sich auf einen fröhlichen Besuch gefasst machen. Überall war was geboten, während fröhliches Gelächter und Klirren von Gläsern den Nachmittag begleitete. Und da waren auch ja auch noch die kleinen Narren, die in den Nachthemden von Oma oder Opa umher hüpften. Die Aufregung auf den Abend wuchs, denn da stand ja schließlich der Hemdglunkerumzug an. Mit schwungvoller Guggemusik und einem nicht zu bremsenden närrischen Tross ging es vom Treffpunkt „Bremmewinkel“ direkt in die Dorfmitte zum Rathaus. Dort wurde voller Elan der Narrenbaum beim „Löwen“-Parkplatz, in direkter Nachbarschaft zum Rathaus, aufgestellt. Und dann war es endlich soweit: Von der Rathaustreppe erklang die ebenso schillernde wie feierliche Proklamation der jeweiligen „Oberbremme“. Im Nu füllten sich die beiden Wirtshäuser mit tanzfreudigen Närrinnen und Narren, die bis in die späten Stunden in fröhlichem Jubel und ausgelassener Stimmung feierten.

Ablauf hat sich gewandelt

In den letzten Jahren hat sich der Ablauf des närrischen Abends jedoch ganz schön gewandelt. Startpunkt für den Hemdglunkerumzug ist mittlerweile bei der Halle. Der Narrenbaum, der früher stolz gegenüber dem Rathaus aufgestellt wurde, hat jetzt sein neues Zuhause an dem Platz gefunden, wo im Mai der Maibaum fröhlich in die Höhe ragt – und wo einst ein Kriegerdenkmal stand. Zwar bleibt der Narrenbaum im Blickfeld des Rathauses, doch die Zünfte und die Vereinsgemeinschaft haben sich entschlossen, die närrische Proklamation direkt von der Treppe des Gasthauses „Zum Engel“ zu verkünden. Das Rathaus hat an diesem schillernden Abend seine Rolle im Narrenfahrplan fast vollständig abgedankt. Und wo zieht es die fröhlichen Närrinnen und Narren nach dem Aufstellen des Narrenbaumes hin? Selbstverständlich zum „Engel“, wo die Stimmung am höchsten ist, teilweise auch ins alte Schulhaus, wo die Feierlichkeiten in vollem Gange weiterleben. Hier wird gelacht, geschunkelt und das närrische Treiben gebührend gefeiert. So wie auch aktuell vor vier Tagen – morgen am Aschermittwoch ist alles wieder vorbei!

Fasnacht ohne Narrenbaum?!

Zum Abschluss noch ein amüsante Begebenheit vom „Schmutzige Dunschdig“ des Jahres 1995, die es sogar in die lokalen Medien schaffte: Die Dörlinbacher Närrinnen und Narren standen kurz davor, ohne ihren Narrenbaum dazustehen – ein wahres Fiasko! Nur zwei Stunden vor dem großen Fest war das gute Stück noch ungeschmückt tief im Wald verborgen. Vielleicht hatten sich ein paar närrische „Heinzelmännchen“ heimlich an die Arbeit gemacht, oder die Winde der Fasnacht hatten einen Zauber gesponnen. Jedenfalls, pünktlich zum fröhlichen Auftakt der närrischen Tage lag der prachtvoll geschmückte Baum dann doch im „Bremmewinkel“, als hätte ihn die närrische Magie direkt aus dem Wald teleportiert! Und so konnten die Narren wieder einmal mit einem Lächeln und einem Tänzchen auf den Lippen in die närrisch-tollen Tage starten – denn was wäre die Fasnacht ohne ihren strahlenden Narrenbaum?

Veröffentlicht am 23. Februar 2022 / red

Visuelle Impressionen zur Geschichte:

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