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Strohschuhe aus Dörlinbach

Lesedauer: 4 Minuten

Handgefertigt von Rosina und Matthias Ohnemus

Sie werden gerne von Hexengruppen in der fünften Jahreszeit getragen, also auch von den hier heimischen Schluchwaldhexen. Und auch die Einzelfigur der Bremsdorfer Narrenzunft, der Bremmedatscher, trug sie. Hier und da werden sogar heute noch Strohschuhe auch privat als Hausschuhe getragen. Diese individuell gefertigten Schuhe („Schtrauschuh“) sind nämlich überaus bequem, warm und weich.

Hin und wieder erfüllten Rosina und Matthias Ohnemus auch Sonderwünsche: Miniaturausgaben im Babyformat als Deko oder als Geschenk für einen Elferrat.
Zu deren Fertigung wird ein geflochtener Strohzopf, ein hölzerner Schuhleisten, Stoff, festes Garn und Leder beziehungsweise Gummischlauch als Sohle benötigt. Es ist ein altes Handwerk, das über viele Jahrzehnte hinweg auch hier in Dörlinbach gepflegt wurde. Das Fertigen von Strohschuhen war zunächst eine Domäne von Frieda Göppert (1918 bis 1993). Die Tochter von Josef Göppert (1879 bis 1925) und dessen Ehefrau Karolina, geborene Zehnle (1894 bis 1970), präsentierte im August 1975 das Handwerk bei der 750-Jahr-Feier auf einem der zahlreichen Umzugswagen.
Ein eingespieltes Team: Rosina und Matthias Ohnemus. Sie präsentierten das alte Handwerk der Strohschuherstellung auch auf Märkten und Ausstellungen.
Außenwandgemälde in der Brandhalde (Anwesen Kaspar). Hans Buschs Erstlingswerk an Dörlinbachs Hauswänden, das er im August 1975 fertigstellte.
Bei der 750-Jahr-Feier: Frieda Göppert präsentiert die Kunst des Strohschuhflechtens auf auf einem Wagen im Rahmen des Historischen Festzugs und auf dem Festgelände.
Aus der jüngsten Vergangenheit sind da vor allem noch Rosina (Jahrgang 1934) und Matthias Ohnemus (1934 bis 2020) bekannt, die sich diesem kreativen und eigenwilligen Handwerk verschrieben hatten. Dass sich das Ehepaar über lange Zeit dem Fertigen von Strohschuhen widmete, kommt wahrlich nicht von ungefähr. Schon Rosinas Vater Josef Göppert (1912 bis 2005) war Strohschuhflechter. Und auch von der Seite von Matthias Ohnemus gab es Einflüsse durch das Schumacher-Handwerk. Sowohl der Vater Karl Ohnemus (1901 bis 1982) als auch der Bruder Karl Ohnemus (1931 bis 2001) waren von Beruf Schumacher.
Ein eingespieltes Team
In Sachen Strohschuhe fertigen funktionierten Rosina und Matthias Ohnemus quasi wie ein Uhrwerk. Sie hatten immer Spaß dabei und waren ein eingespieltes Team. Das Handwerk betrieb das Ehepaar nicht nur als Hobby, sondern auch auch die Tradition zu erhalten. Anfang der 1990er-Jahre begannen die beiden nach Feierabend die unterschiedlichen Modelle zu flechten. Denn jedes einzelne Paar wurde individuell gefertigt. Für jede Größe hatten sie entsprechende Leisten, die Matthias Ohnemus selbst hergestellt hatte. Und seine Ehefrau Rosina? Sie war für das Flechten der Zöpfe zuständig, deren Breite sich nach der gewünschten Schuhgröße richtete. Im Schnitt waren immer an die zehn Meter Zopf von Nöten. Dafür verwendeten Rosina und Matthias Ohnemus nur die hellen, großen Maisblätter, die sie meist aus dem Südbezirk der Ortenau bekamen. Eine weitere Aufgabe von Rosina Ohnemus war das Überziehen der Leisten mit Lammfell. Erst nachdem diese überzogen waren und die Zöpfe geflochten begann die Haupttätigkeit von Matthias Ohnemus. Er brachte den Strohschuh mit Schere, Zange und Ahle in Form. Aus dem anfänglichen Oval wurde schließlich nach und nach ein Schuh. Bis weit ins neue Jahrtausend hinein fertigte das Ehepaar Strohschuhe – auch nach speziellen Wünschen der künftigen Besitzer und Besitzerinnen. Und manche ließen sich die Kunst des Strohschuhherstellens vor Ort zeigen. Durften also bei der Tätigkeit zuschauen, um so das alte Handwerk selbst auch weitergeben zu können. Solche Interessenten stießen bei Familie Ohnemus immer auf offene Türen. Hin und wieder wurden auch Sonderwünsche erfüllt. Beispielsweise Miniaturausgaben im Babyformat für Jubiläumsgeschenke oder mit Blümchen versehen als Dekorationsartikel. Einmal wurde sogar der Wiswieler Elferrat mit den Mini-Strohschuhen ausgestattet. Weiter war es Rosina und Matthias Ohnemus auch wichtig das alte Handwerk einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren, sei es beispielsweise beim heimischen Dorfhock an der Alten Schule oder im Europa-Park in Rust.

Veröffentlicht am 23. Februar 2023 / red

Visuelle Impressionen zur Geschichte:

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