Seite wählen

Derlebacher G’schichtle Folge 10

Lesedauer: 3 Minuten

Immer wieder sonntags dem Strich entlang

Es ist Sonntag, Mittagsstunde, Autos hupen und manchmal quietschen auch die Reifen. Doch kaum ein Dörlinbacher oder eine Dörlinbacherin entlang der Hauptstraße in Richtung Süden bringt dies aus der Ruhe. Denn den Grund kennen eigentlich alle, weshalb kaum noch jemand ans Fenster rennt, um nachzuschauen, was draußen los ist. Und wenn doch, heißt es immer: „D‘ Hislisepp isch wieder uff’m Heimweg!“

Derlebacher Gschichtle Folge 10Derlebacher Gschichtle Folge 10
Jahrelang hielt Joseph Offenburger (1907 bis 1980), den alle nur „Hislisepp“ nannten, etliche Dörlinbacherinnen und Dörlinbacher immer wieder sonntags in Atem und sorgte bei so manchem Verkehrsteilnehmer beziehungsweise so mancher Verkehrsteilnehmerin für einen gehörigen Schrecken. Für manch einen führten die Ereignisse sogar zu einem brenzlichen Ausweichmanöver.
Derlebacher Gschichtle Folge 10
Außenwandgemälde in der Brandhalde (Anwesen Kaspar). Hans Buschs Erstlingswerk an Dörlinbachs Hauswänden, das er im August 1975 fertigstellte.
Derlebacher Gschichtle Folge 10
Besagter „Hislisepp“ besuchte nämlich immer nach dem Sonntagsgottesdienst den Stammtisch – mal im Gasthaus „Zum Löwen“, mal im Gasthaus „Zum Engel“. Zur Mittagsstunde machte er sich dann mit seinem Fahrrad auf den Heimweg in die Hub. Doch Fahrradfahren ging nach dem Stammtisch-Besuch nicht mehr, weshalb der „Hislisepp“ sein Fahrrad stets nach Hause schob. Aber genau das wurde letztlich zum Problem. Denn Sonntag für Sonntag orientierte er sich am Mittelstrich der Fahrbahn. Von der Dorfmitte bis in die Hub schob er quasi sein Fahrrad entlang des Strichs, unbeeindruckt davon, dass hupende Autos an ihm links und rechts vorbeifuhren. Kaum zu glauben, aber nie hatte ihn ein Auto angefahren. Aber hin und wieder gab es durchaus gefährliche Ausweichmanöver. Einmal soll sogar ein Autofahrer wegen dem „Hislisepp“ ins Feld hinaus gefahren sein. Dem erschrockenen Autofahrer entgegnete „d' Hisilisepp“ sogar, ob es nicht noch schneller geht, ob er immer so rasen würde. Überliefert ist auch ein Ausweichmanöver, das allerdings zu späterer Stunde – aber auch an einem Sonntag beziehungsweise Feiertag – stattgefunden hatte. Zuvor war „d' Hislisepp“ bei einer Theateraufführung. Dort gewann er bei der Tombola einige Flaschen Wein. Mit den Flaschen in der einen Hand und das Fahrrad in der anderen ging es auf den „etwas wackeligen“ Heimweg. Ein Autofahrer musste ausweichen. Bei dieser Aktion fiel auch das Fahrrad auf die Straße, aber keine einzige Flasche ging zu Bruch. Denn die hatte „d' Hislisepp“ alle fest im Griff. Einen Schrecken hatten offensichtlich nur der Autofahrer und seine Insassen bekommen. Die jedenfalls haben dann den „Hislisepp“ nach Hause gebracht, damit auf dem restlichen Weg nicht noch mehr passiert. Trotz dieser fürsorglichen Geste mussten sie sich sogar noch eine Standpauke vom „Hislisepp“ anhören: „Fahre doch noch wilder durch d' Gegend!“

Veröffentlicht am 12. Januar 2022 / red

Visuelle Impressionen zur Geschichte:

Das könnte Dir auch gefallen:

Derlebacher G’schichtle Folge 31

Derlebacher G’schichtle Folge 31

Beim Hexensprung wird, je nach der Tradition, im Freien ein Feuer entzündet, über das mutige Hexe dann springen müssen. Ein Spektakel, das immer wieder zahlreiche Menschen anlockt. Vielerorts zeigen...

mehr lesen
Derlebacher G’schichtle Folge 30

Derlebacher G’schichtle Folge 30

Es war an einem stimmungsvollen Samstagabend im März 1985, als unser Dorf in Aufregung versetzt wurde. Um genau 17.42 Uhr durchbrach ein ohrenbetäubender Alarm die Stille, und etliche Dorfbewohner...

mehr lesen
Derlebacher G’schichtle Folge 29

Derlebacher G’schichtle Folge 29

Die Geburt eines Kindes ist bis heute etwas besonderes. Und früher, wo es noch Hausgeburten gab, waren solche Geburten ein großes Familienereignis. Ein Ereignis, das dann meist auch gleich Thema in...

mehr lesen
Derlebacher G’schichtle Folge 28

Derlebacher G’schichtle Folge 28

Im Jahre 1889 kam der aus Haslach stammende katholische Priester und Volksschriftsteller Heinrich Hansjakob (1837 bis 1916) erstmals in den Durenbach. Dort traf er auf vermeintliche Engelmenschen....

mehr lesen
Derlebacher G’schichtle Folge 27

Derlebacher G’schichtle Folge 27

Was es nicht alles gibt? In den 1970er-Jahren, als die Herzen der Dörlinbacher noch im Takt der Fasnacht schlugen, wurde ein ganz besonderer Bürger mit einem kuriosen Orden geehrt: Hermann Meßner...

mehr lesen
Derlebacher G’schichtle Folge 26

Derlebacher G’schichtle Folge 26

Einen „Siedlungskönig“ hatten die Dörlinbacherinnen und Dörlinbacher schon seit eh und je. Dieser „Titel“ war sozusagen einen Übername für einen Bürger im Ort. Im Juli 2000 gab es jedoch auf einmal...

mehr lesen
Derlebacher G’schichtle Folge 25

Derlebacher G’schichtle Folge 25

In der 15. Folge „Göttliche und militärische Lebensretter“ unserer Serie „Derlebacher G'schichtle“ berichteten wir über ein Ereignis, das sich kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs in Dörlinbach...

mehr lesen
Derlebacher G’schichtle Folge 24

Derlebacher G’schichtle Folge 24

Vom sogenannten „blauen Wunder“, wie die Heidelbeeren oft genannt werden, spricht bei uns wohl kaum jemand. Eigentlich ist bis heute noch immer das Dialektwort zu hören, wenn es um die kleinen...

mehr lesen
Derlebacher G’schichtle Folge 23

Derlebacher G’schichtle Folge 23

In den Erinnerungen vieler Theaterfreunde blinkt ein besonderes Juwel: die legendäre Theaterbühne im Gasthaus „Zum Engel“. In diesem urigen Saal entfaltete sich seit vielen Jahrzehnten das...

mehr lesen
Derlebacher G’schichtle Folge 22

Derlebacher G’schichtle Folge 22

In den Erinnerungen vieler Theaterfreunde blinkt ein besonderes Juwel: die legendäre Theaterbühne im Gasthaus „Zum Engel“. In diesem urigen Saal entfaltete sich seit vielen Jahrzehnten das...

mehr lesen

0 Kommentare

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

// New Badge für die Posts // // Glossar Sytling //