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Derlebacher G’schichtle Folge 17

Lesedauer: 3 Minuten

Mostfässer auf wilder „Bootsfahrt“

Dass die Schutter gelegentlich Hochwasser führt ist weithin bekannt. Und immer wieder einmal verließ sie im Laufe der Jahrhunderte ihr Bachbett. Zuletzt gleich drei Mal im Juni und Juli 2021. Oft reicht ein starkes Gewitter, um aus dem sonst so beschaulichen Bächlein einen reißenden Bach zu machen.

Derlebacher Gschichtle Folge 17
Vor allem in früheren Zeiten führte dies immer wieder einmal zu Überraschungen, denn das fließende Wasser der Schutter wurde auch in die Alltagstätigkeiten mit eingebunden. Beispielsweise zum Reinigen von Mostfässern. Gleich drei solcher hölzerner Mostfässer hatte Schneidermeister Alois Schätzle (1890 bis 1960) zu diesem Zweck Mitte der 1950er Jahre gegenüber seines Wohn- und Geschäftshauses in der Hauptstraße in der Schutter stehen.
Derlebacher Gschichtle Folge 17
Außenwandgemälde in der Brandhalde (Anwesen Kaspar). Hans Buschs Erstlingswerk an Dörlinbachs Hauswänden, das er im August 1975 fertigstellte.
Derlebacher Gschichtle Folge 17
Ein schweres Unwetter zog auf. Niemand dachte mehr im Hause Schätzle an die Holzfässer, alle zogen sich eiligst ins Haus zurück. Binnen Minuten wurde aus der Schutter ein reißender Bach. Und so kam es, wie es kommen musste. Die zurückgebliebenen Mostfässer wurden von der Strömung mitgerissen. Als der Schätzle-Senior das Malheur bemerkte, war es schon zu spät. Die Fässer hatten mächtig Fahrt aufgenommen. Schnell war auch die Hoffnung dahin, dass sie vielleicht an der „Engel“-Brücke hängen bleiben könnten. Aber auch die Befürchtungen, sie könnten an der Brücke zerschellen, traten ebenso wenig ein. Obwohl der reißende Strom bereits die Oberkante des Brückendurchlasses erreicht hatte, wurden die leeren Mostfässer wie durch Geisterhand schadlos unter der „Engel“-Brücke durchgedrückt, womit sie ihren unfreiwilligen Ausflug talauswärts fortsetzen konnten.
Endstation Stellfalle
Inzwischen hatte der Schneidermeister Hilfe aus den eigenen Reihen bekommen – und auch aus der Nachbarschaft . Unter anderem half Nachbar Hermann Fischer (Jahrgang 1942), der sich heute noch an die turbulente Jagd nach den Fässern erinnert. Die Suche wurde letztlich mit Erfolg gekrönt – die Fässer wurden sozusagen an der Ortsgrenze ausgebremst. Bei der Stellfalle in Höfen war Endstation für die Mostfässer. Die Schätzles und Fischers konnten sie letztlich unversehrt von dort wieder nach Hause an ihren angestammten Platz im Keller bringen. Zwar mussten sie nach dieser Tortour noch einmal gründlich gereinigt werden, aber dann stand der Abfüllung mit dem neuen Most nichts mehr im Wege.

Veröffentlicht am 25. Februar 2022 / red

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