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Derlebacher G’schichtle Folge 63

Lesedauer: 3 Minuten

Wie Dörlinbach zum beliebten Erholungs- und Urlaubsort wurde

In den goldenen 1960er-Jahren, als die Welt im Wandel war und der Wunsch nach Erholung und Natur immer größer wurde, erkannten einige visionäre Dörlinbacher und Dörlinbacherinnen das immense Potential ihres kleinen Dorfes. Am 16. Mai 1966 fiel der Startschuss für einen neuen Abschnitt in der Geschichte Dörlinbachs: die Gründung eines Verkehrsvereins durch Joseph Hupfer, Josef Billharz, Josef Erich Ohnemus, Alois Schätzle, Rudolf Reinicke, Hermann Griesbaum, Bruno Dilger, Josef Busam, Wilhelm Wehrle, Anton Göppert, Anna Litty und Hermann Grimm.
Derlebacher Gschichtle Folge 63
Diese Initiative sollte bald die touristische Landschaft des Ortes prägen und ihn in die Herzen der Urlauberinnen und Urlauber bringen. An der Spitze der ersten Bemühungen stand Kraftfahrer Joseph Hupfer, unterstützt von Gastwirt Wilhelm Wehrle und dem in Dörlinbach heimisch gewordenen Reiseleiter Rudolf Reinicke. Ihre gemeinsame Vision war es, Dörlinbach als charmantes Ziel für Erholungssuchende zu etablieren. Diese Idee war nicht nur ein einfacher Plan – sie war das Fundament für die Hochphase des Tourismus im Dorf, auf die noch viele Jahre folgen sollten.
Derlebacher Gschichtle Folge 63
Außenwandgemälde in der Brandhalde (Anwesen Kaspar). Hans Buschs Erstlingswerk an Dörlinbachs Hauswänden, das er im August 1975 fertigstellte.
Derlebacher Gschichtle Folge 63
Die ersten Urlauberinnen und Urlauber, häufig Kurgäste genannt, kamen vor allem durch die Deutsche Steinzeugfabrik aus Mannheim-Friedrichsfeld, die ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern über Jahre hinweg entspannende zweiwöchige Aufenthalte in Dörlinbach ermöglichte. Der Ort war bald bekannt für seine „Kuranlage“ – ein Begriff, der bis in die 1980er-Jahre lebendig blieb und die Besucherinnen und Besucher anlockte. Die Freizeitanlage an der Hauptstraße wurde schnell zum Mittelpunkt für gesellige Treffen und entspannende Stunden, wo man Minigolf spielen oder sich am allseits beliebten Nierenbrunnen, im Ort meist nur Springbrunnen genannt, erfreuen konnte.
Reiseunternehmen zeigen Interesse
Doch die Kuranlage war nicht das einzige, was Dörlinbach attraktiv machte. In den 1980er-Jahren erregte der Ort auch das Interesse zahlreicher Reiseunternehmen aus dem Ruhrgebiet und Hamburg sowie der Gäste aus den Beneluxländern, besonders aus Holland. Die kunstvoll gestalteten Brunnenanlagen, die in dieser Zeit entstanden sind, trugen erheblich zur Beliebtheit Dörlinbachs als Erholungsort bei. Am nördlichen Ortseingang konnte man ab 1985 die einladende Tafel mit dem Schriftzug „Erholungsort Dörlinbach“ bewundern, die stolz die Geschichte und Tradition des Dorfes repräsentierte.
Kurgäste schlagen Wurzeln im Ort

Die Trauer und das Entsetzen über den Verlust von Maria Anna Weber (1890 bis 1965) hinterließen in der Gemeinschaft tiefe Spuren. Ihr tragisches Schicksal und die quälende Ungewissheit über ihr Verschwinden bewegten die Dorfbewohnerinnen und Dorfbewohner zutiefst. Die Erinnerungen an die Rentnerin blieben lebendig, und ihre mysteriöse Geschichte wurde zu einem dauerhaften Teil des kollektiven Gedächtnisses von Dörlinbach. Diese Erzählung dient nicht nur als Rückblick auf ein tragisches Ereignis, sondern auch als eindringliches Mahnmal, das uns daran erinnert, wie schnell sich das Leben verändern kann und wie zerbrechlich unsere menschliche Existenz ist. Während der Schnee das Geheimnis bewahrte, lebt die Erinnerung an Maria Anna Weber weiter – selbst bei jenen, die sie einst als „Nännän“ hänselten.

Und heute? Die Veränderungen im Dorf

Die Entwicklungen in Dörlinbach sind spürbar und prägen weiter das Bild eines lebendigen Dorfes. Einrichtungen wie der Verkehrsverein, der Minigolfplatz und die Pit-Pat-Anlage gehören allerdings längst der Vergangenheit an. Auch der Springbrunnen, ein beliebter Treffpunkt, gehört nicht mehr zum Ortsbild. Zudem hat sich die Art der Unterbringung für Urlauberinnen und Urlauber gewandelt: Anstatt in den traditionellen Gasthäusern zu verweilen, finden sie nun Unterkunft in privaten Ferienwohnungen. Das nostalgische Wort „Kurgäste“ ist völlig verschwunden und wurde durch den modernen Begriff „Feriengäste“ ersetzt. Trotz dieser Veränderungen blieb die einzigartige Atmosphäre und der besondere Charme von Dörlinbach bis heute bestehen. Die vielen neu entstandenen Ferienwohnungen sowie die Vielfalt der Angebote spiegeln jedenfalls den Charme des Ortes aber auch der gesamten Region wider. Und so ist es kein Wunder, dass Dörlinbach nicht nur als Reiseziel dient, sondern auch zu einem Zuhause auf Zeit für viele geworden ist.

Veröffentlicht am 28. April 2025 / red

Visuelle Impressionen zur Geschichte:

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