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S‘ Isebernharde Tanne

Lesedauer: 3 Minuten

Ein nächtlicher Schauplatz der Natur

Im Oberdorf von Dörlinbach thront ein mächtiger Baum, der nicht nur imposant aussieht, sondern auch eine ganz besondere Rolle im Leben der hier ansässigen Tierwelt spielt. Die Rede ist von „s' Isebernharde Tanne“. Mit stolzen 30 Metern Höhe schaut sie wie ein naturgewaltiger Wächter über die Stille des Oberdorfs und des nahen Kappelbergs sowie den Geschichten, die darin verborgen liegen. Unter ihrem schützenden Blätterdach (siehe Anmerkung unten) findet jede Nacht ein faszinierendes Schauspiel statt.
Eine Gruppe junger, verwegener Weißstörche „besetzt“ Nacht für Nacht „s' Iseberharde Tanne“. Der „Hausherr“, ein Fischreiher, muss weichen.
Der heimliche Protagonist ist ein Fischreiher, der seine nächtliche Ruhe an diesem besonderen Ort sucht. Wenn die Dämmerung sich über das Dorf legt, gleitet er majestätisch durch die Luft und landet auf einem Ast, um die Umgebung zu scannen. Ist alles in Ordnung? Oder könnte dort ein unfreundlicher Nachtschatten lauern? Nach ein paar geschickten Runden in der Luft entschließt er sich schließlich, anscheinend überzeugt, dass seine Wahl richtig ist, zur Stammnähe zu spazieren und sich für die Nacht einzurichten.
Auf „s' Iseberharde Tanne“ kehrt mit dem Fischreiher der gewohnte Alltag zurück: Seine nächtlichen Besuche auf der majestätischen Tanne sind wieder da.
Außenwandgemälde in der Brandhalde (Anwesen Kaspar). Hans Buschs Erstlingswerk an Dörlinbachs Hauswänden, das er im August 1975 fertigstellte.
Eine Gruppe junger, verwegener Weißstörche „besetzt“ Nacht für Nacht „s' Iseberharde Tanne“. Der „Hausherr“, ein Fischreiher, muss weichen.
Doch die letzten Nächte waren für jenen Fischreiher alles andere als gewöhnlich. Denn die friedlichen Nächte wurden plötzlich von einer fröhlichen Rasselbande unterbrochen – einer Gruppe junger, verwegener Weißstörche. Diese hatten sich „s' Isebernharde Tanne“ als ihr neues Nachtlager ausgesucht. Während sie in den höchsten Bereichen und bis zur Spitze der Tanne ihr Unwesen trieben, zog es den Fischreiher vor, einen anderen Schlafplatz aufzusuchen. Verständlich! Wer möchte sich schon mit halbstarken Jungstörchen auseinandersetzen, die anscheinend noch nicht wissen, dass das Gerangel um den besten Platz nicht gerade die feine Art ist.
Der gewohnte Alltag kehrt zurück
Trotz dieser kleinen Unannehmlichkeit ist es bemerkenswert zu beobachten, wie geschickt der Fischreiher ansonsten mit den Weißstörchen umgegangen ist. In den vergangenen Jahren wurde er oft zusammen mit ihnen bei der Futtersuche auf den umliegenden Wiesen gesichtet. Manchmal scheint es sogar eine Art von Freundschaft gegeben zu haben – im Gleichschritt durch die grünen Wiesen, als ob sie die Geheimnisse der Natur gemeinsam erkunden wollten. Doch nichts ist von Dauer, und so verschwand die Schar der Jungstörche nach kurzer Zeit wieder, während die Gewohnheiten des Fischreihers ihn zurück zur Tanne im Oberdorf führten. Dort kehrte der gewohnte Alltag zurück: Die nächtlichen Besuche des Fischreihers sind wieder da, und unter dem schützenden Haus der majestätischen Tanne wird das vertraute Schauspiel des Lebens fortgesetzt. Ein kleines Stück Naturtheater, das uns erinnert, wie lebendig und dynamisch unsere Welt ist – und das alles unter dem wachsamen Blick von „s' Isebernharde Tanne“.
Anmerkung zu „Blätterdach“
Natürlich ist der Redaktion bewusst, dass Tannen Nadelbäume sind. Laubbäume reagieren auf kalte Temperaturen und werfen im Herbst ihre Blätter ab. Im Gegensatz dazu behalten Tannen, die als Weihnachtsbäume beliebt sind, ganzjährig ihre Nadeln. Diese sogenannten Nadeln sind jedoch spezielle „Blätter“, die eng gerollt sind und eine reduzierte Oberfläche haben, was die Verdunstung von Wasser minimiert. Da der Boden im Winter oft gefroren ist und Wasseraufnahme erschwert wird, schützt diese Anpassung die Tanne vor dem Austrocknen.

Anmerkung zu „s' Iseberharde“

Der mächtige Baum steht an der Ostseite eines heute leerstehenden Hauses im Oberdorf, dessen frühere Bewohnerinnen und Bewohner im Ort einfach nur „s' Isebernharde“ genannt wurden. Dieser Haus- und Hofname geht auf Bernhard Meßner (1856 bis 1929) zurück und stammt aus einer Zeit, als das Oberdorf noch „Kirchweg nach Schweighausen“ hieß.

Veröffentlicht am 10. Juli 2024 / red

Visuelle Impressionen zur Geschichte:

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