Prozessionen und Fluraltäre
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Straßen- und Häuserschmuck war Ehrensache
Prozessionen an Christi Himmelfahrt und insbesondere an Fronleichnam gehörten seit alters her zu den feststehenden kirchlichen Bräuchen in Dörlinbach. Heute ist durch den Zusammenschluss der einst selbstständigen Pfarrgemeinden im Tal zur Kirche „An der Schutter“ dies nicht mehr so verständlich.
Doch zunächst mal ein Blick zurück: Für die Anlieger der Prozessionsstraßen war es stets eine Ehrenpflicht, die Straßen und Häuser als auch die Altäre, die unterwegs entlang des Prozessionswegs aufgebaut wurden, festlich zu schmücken. Vor allem am sogenannten „Herrgottstag“ (Fronleichnam) legten sich die Dörlinbacher immer mächtig ins Zeug. Einst waren es einmal vier Altäre, die die vier Himmelsrichtungen symbolisieren, in die hinein der Segen und die Hilfe Gottes erbeten wurde.
Doch mit den Jahren nahm die Anzahl der Fluraltäre ab. Vor allem dem älteren Bürgerinnen und Bürger Dörlinbachs werden sicherlich noch die Altäre beim Sandplatz an der Kinderschule (Altäre gab es dort auch schon bevor die Kinderschule gebaut wurde), bei „Herre-Ländels“ (Anwesen Schwörer) sowie der Mühle (im Volksmund „s' Stadtmüllers“ genannt) in Erinnerung sein. Auch direkt bei der Kirche gab es einmal eine Station. An den einzelnen Stationen wurden schon am Vorabend erste Vorbereitungen getroffen und unter anderem – sofern notwendig – das Holzgerüst für den Altar aufgebaut. Weiter wurden entlang des Prozessionswegs bereits die Fahnenstangen aufgestellt und die Fahnen gehisst. Letzteres allerdings nur bei gutem Wetter. Bei schlechtem Wetter wurde mit dem Hissen bis in die frühen Morgenstunden abgewartet, ob die Prozession überhaupt stattfinden kann. Frühmorgens wurde ohnehin erst entschieden, ob Blumenteppiche gelegt werden oder nicht. Das galt sowohl für die größeren Blumenbilder vor den Altären als auch für die kleineren Ornamente entlang des Prozessionswegs. Zweifelsohne dominierten am „Herrgottstag“ Blumen in allen Farben und Facetten das Fest des allerheiligsten Leibes und Blutes Christi. Neben den Altären und den Straßen wurden auch die Häuser entlang des Prozessionswegs mit Blumen, Fähnchen und Tannenreisig geschmückt. Das war sozusagen eine Ehrensache für alle betroffenen Anwohnerinnen und Anwohner.
Eine Stunde unterwegs
An Christi Himmelfahrt mussten die Leute früher gut zu Fuß sein, denn die Prozessionen an diesem Hochfest waren zweifelsohne die längsten, die es je in Dörlinbach gegeben hatte. Zudem mussten auch einige Höhenmeter bewältigt werden. Der Prozessionsweg führte nämlich an der Mühle vorbei in Richtung Wurzgraben, weiter ging es am Wanglerhof vorbei in Richtung Hub. Dort befand sich beim Anwesen Kopf ein Altar. Zurück ging es in Richtung Oberrain und Dobel, wo zwei weitere Altäre aufgebaut waren. Beim Anwesen Weber (s' Marckse“) und beim Anwesen Held, dann ging es wieder runter ins Dorf. Für den gesamten Prozessionsweg benötigten die Gläubigen eine gute Stunde.
Neben Christi Himmelfahrt und Fronleichnam gibt es ein weiteres kirchliches Fest, bei dem eine Prozession nicht fehlen darf, sofern es das Wetter zulässt. Es ist das Johannisfest, das Dörlinbachs Katholiken alljährlich am Sonntag vor oder nach dem Johannistag (24. Juni) feiern. Die Prozessionswege am Ehrentag des Kirchenpatrons Johannes des Täufers waren zeitweise unterschiedlich. In manchen Jahren ging es in Richtung Sandplatz und Kinderschule, in anderen Jahren beispielsweise entlang der Hauptstraße in südliche Richtung und zurück. Mit den Jahren wurden auch die Fluraltäre weniger. Sowohl am Patronatsfest als auch beim Fronleichnamsfest gab es mit der Zeit nur noch einen Altar. Zum einen am Sandplatz, zum anderen auf dem Schulhof. Letzterer wurde früher direkt vor der Eingangshalle der Grundschule aufgebaut, später wechselte man dessen Standort mehrmals. Heutzutage wird der Altar mehr zum Hang hin an der Ostseite zum Kappelberg errichtet.
Heutzutage kürzere Prozessionswege
Da wie eingangs erwähnt die Pfarrei Sankt Johannes Dörlinbach seit 2015 zusammen mit Sankt Antonius Schuttertal und Sankt Romanus Schweighausen sowie den restlichen Tal-Pfarreien als auch den Lahrer Stadt-Pfarreien Sankt Peter und Paul, Heilig Geist und Sancta Maria der neu formierten Kirche „An der Schutter“ angehört, hatte dies natürlich auch weitere Auswirkungen auf die alt hergebrachten kirchlichen Bräuche im Ort. Zum einen ist nicht jede Prozession aufgrund den veränderten Strukturen und der Personalsituation gesichert im jährlichen Rhythmus stattzufinden und die Wege haben sich verändert beziehungsweise sind kürzer geworden. So führt an Fronleichnam der Prozessionsweg ausschließlich von der Kirche über Oberdorf und Schulweg auf den Pausenhof der Schule zum Fluraltar und wieder zurück. Und am Patronatsfest (Johannisfest) geht es heutzutage über die Engel-Brücke, den Mühlweg und Unterrain zum Fluraltar vor der Kindertagesstätte St. Angela. Von dort geht es zurück über Hauptstraße und Oberdorf zur Kirche. Prozessionen an Christi Himmelfahrt wurden in der Sankt-Johannes-Gemeinde bereits vorher nicht mehr praktiziert. Zum Schluss sei noch erwähnt, dass es in früheren Jahren auch Flurprozessionen zum Kapellchen auf den Kappelberg sowie auch in den Prinschbach gegeben hat.
Veröffentlicht am 15. August 2021 / red
Visuelle Impressionen zur Geschichte:
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