Der letzte Gang
Ein Weg mit Geschichte
Wenn wir über den „letzten Gang“ sprechen, denken wir nicht an die melancholischen Klänge des gleichnamigen Trauermarsches von Michael Pobisch oder an die zahlreichen Bücher und Filme, die diesen Titel tragen. Auch der Blick in die Vergangenheit, als Beerdigungen in Dörlinbach ganz anders vonstatten gingen als heute, bleibt uns hier erspart. Vielmehr wollen wir uns auf die physische Reise konzentrieren, die die Verstorbenen und ihre Angehörigen einst antreten mussten – einen langen Weg zur letzten Ruhestätte.
Es sollte noch knapp drei Jahrzehnte dauern, bis der Wunsch nach einem eigenen Friedhof in Erfüllung gehen konnte. Die Eröffnung des heutigen Friedhofs im Neudorf im Jahre 1903 bedeutete für die Dorfgemeinschaft einen bedeutsamen Einschnitt. Maria Anna Fischer, geborene Schüssele (1859 bis 1903), wurde als erste Dörlinbacherin auf dem neuen Friedhof beigesetzt. Trotz der kürzeren Entfernung blieb der letzte Gang für viele Familien eine emotionale und oft auch lange Reise. Zu Hause aufgebahrt, wurde der Sarg im großen Trauerzug zum neuen Friedhof geleitet, wobei selbst die Bewohner der verstreut liegenden Höfen noch lange Wege zurückzulegen hatten. Doch die Mühe der vergangenen Jahrhunderte, die mit dem Gang nach Ettenheimmünster verbunden war, fiel nun weg. Lesenswert dazu ist sicherlich auch der Blog-Beitrag „Beerdigungen in früheren Zeiten“ vom 14. März 2021.
Erinnerungen an alte Zeiten
Doch dieser Ort trägt auch die schwere Last der Geschichte. Während der beiden Weltkriege verloren viele junge Männer aus Dörlinbach ihr Leben fern der Heimat. Die Vorstellung, dass sie nicht in der Erde ihrer Kindheit ruhen können, schmerzt. Nur wenige, wie der mutige Bernhard Müllerleile (1916 bis 1940) von s‘ Kasperseppe im Durenbach, hatten das Glück, am 5. Juni 1940 inmitten der vertrauten Umgebung bestattet zu werden. Bernhard erlag seinen Verletzungen, die er sich im Gefecht zugezogen hatte, im Lazarett von Fulda. Sein Weg führte ihn zurück in die Heimat, wo er seine letzte Ruhe fand. Seine Beisetzung war nicht nur ein Akt der Trauer, sondern auch ein Zeichen des Gedenkens an all jene, deren Leben von den Wirren des Krieges so brutal beendet wurde.
Heute wird allen Gefallenen und Vermissten, unabhängig davon, ob sie in der Heimat oder weit entfernt ihre letzte Ruhestätte fanden, mit zwei Gedenksteinen vor der Einsegnungshalle gedacht. Diese Steine tragen die Namen und Geschichten jener, die in den Konflikten zwischen Hoffnung und Verlust gefangen waren. Bis zum Jahr 2009 fand man die Gedenkstätte für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs mitten im Dorf, jedoch wurde das dortige Krieger-Ehrenmal in einer Nacht- und Nebelaktion entfernt – eine Entscheidung, die die Dorfgemeinschaft tief traf, wie bereits in unserem Blog-Beitrag „Krieger-Ehrenmal“ vom 10. März 2021 beleuchtet. Zusätzlich wird den Opfern des Zweiten Weltkrieges in der Gedächtniskapelle auf dem Kappelberg gedacht. Hier steht eine Gedenktafel, die das Vermächtnis derer ehrt, die in den stürmischen Zeiten des Krieges vermisst wurden. Neben der Kapelle existierte auch ein symbolisches Soldatengrab, das an diejenigen erinnerte, deren letzter Gang in Utschno bei Staraja-Russa endete. Diese Gedenkstätte wurde allerdings 2015 im Zuge eines Protestes umgestaltet, als eine Diskussion über die Gedenktafeln für ehemalige Wehrmachtsoffiziere aufkam. Weitere Informationen dazu findet man in den Blog-Beiträgen „Gedächtniskapelle auf dem Kappelberg“ vom 13. März 2021, „General-Verdacht im Schuttertal“ vom 25. August 2021 und „5. Infanterie und Jäger-Division“ vom 4. Mai 2021.
Begraben fern der alten Heimat
Tradition trifft Veränderung
Veröffentlicht am 5. Juni 2023 / red
Visuelle Impressionen zur Geschichte:
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