Die daraufhin erfolgten Recherchen ergaben, dass der Schulzenhansenhof beziehungsweise Mattesenhof tatsächlich einst auf der Wiese gegenüber Dreschers (einst Anwesen Kopf, heute Schätzle) gestanden hat. Dies wurde auch von den Nachkommen der Familie Kopf, als auch von den Familien Hupfer und Singler im Hofweg, wo heute der Mattesenhof steht, bestätigt. Das einstige Wohnhaus der Familie Kopf (auch bekannt als s' Dreschers) soll früher eine Kornkammer für besagten Schulzenhansenhof gewesen sein. Der Keller des heute von Gerd Jürgen Schätzle (Jahrgang 1959) und Ehefrau Elisabeth, eine geborene Kopf (Jahrgang 1968), bewohnten Hauses weisen jedenfalls Schießscharten auf und Reste der alten Kornkammer sind nachweisbar. Aber wie kam nun das stattliche Hofgebäude von der Westseite der Ortsdurchgangsstraße in den Hofweg? Fakt ist, dass der Bauernfamilie das Gelände gehörte, wo heute der Hof steht. Und als gesichert gilt auch, dass Bernhard Griesbaum (1805 bis 1872) den Hof zusammen mit seiner Ehefrau Maria Theresia, eine geborene Isenmann (1802 bis 1870) im Jahre 1826 im Hofweg aufbaute. Bernhard Griesbaum war übrigens in den Jahren 1847 bis 1852 Schultheiß von Dörlinbach. Daraus resultierte, dass der Schulzenhansenhof für eine kurze Zeit zum sogenannten Schulthishof wurde (so vermerkt beispielsweise im Haus- und Hofverzeichnis von 1843).
Stetige Wechsel der Hofbesitzer
Bernhard Griesbaum wurde Mitte des 19. Jahrhunderts wie viele Bauern im damaligen Schuttertal von Missernten heimgesucht. Letztlich musste er das gesamte Hofgut im Jahre 1853 verkaufen. Der Kaufpreis lag bei 8.400 Gulden. Roman Billharz (1806 bis 1862), Bauer auf dem Jägertonihof, konnte fortan den Hof sein Eigen nennen. Jedoch nicht lange. Schon im Jahr darauf ersteigerte Johann Georg Zehnle (Jahrgang 1816) aus Schweighausen den Hof für 8.000 Gulden. Doch dieser wanderte kurz darauf mit seiner Ehefrau Maria Anna, eine geborene Weber (Jahrgang 1818) und Sohn Anton (Jahrgang 1939) nach Amerika aus. Deshalb kennen wir auch keine Sterbedaten. Die Familie verkaufte aufgrund der Auswanderung bereits im Folgejahre 1854 das Gehöft an Johannes Mattes von Weinheim, einem Realschullehrer an der Höheren Bürgerschule in Ettenheim. Mit diesem Verkauf wurde aus dem einstigen Schulzenhansenhof schließlich der Mattesenhof. Jener Mattes blieb allerdings auch nur über eine kurze Zeitspanne Hofbesitzer. Er verkaufte im Jahre 1868 den Hof für 27.000 Gulden an Emil Simon, einem Buchdruckbesitzer aus Straßburg, und an Jakob Fink, dem damaligen Schwanen-Wirt aus Altenheim. Dem nicht genug, das stetige Wechselspiel der Hofbesitzer ging munter weiter, denn schon zwei Jahre später gab es wieder einen neuen Besitzer. Andreas Wangler (1820 bis 1902), der seinerzeit auch Bürgermeister im Ort war (von 1862 bis 1872), kaufte das stattliche Hofgebäude. Zugleich übernahmen Engel-Wirt Landolin Billharz (1809 bis 1875), Schuhmachermeister Matthias Hupfer (1841 bis 1897) und Landwirt Josef Griesbaum (1830 bis 1880) das dazugehörige Acker- und Wiesenland. Wiederum nur fünf Jahre später – im Jahre 1875 – erwirbt schließlich Salomon Dreyfuß, ein jüdischer Bürger aus Schmieheim, den Mattesenhof. Dieser teilte das Bauernhaus in der Mitte und verkaufte im darauffolgenden Jahr die Seite zum Dorf an den Tagelöhner Matthias Hupfer (1838 bis 1903), die andere Seite an den Weber Sebastian Diel (1841 bis 1924) sowie den Korbmacher und Tagelöhner Thomas Bauer (1836 bis 1887). Fortan wurde der Hof von drei Eigentümern bewirtschaftet. Und dies funktionierte dann letztlich bis in die heutige Zeit hinein, trotz der ungewöhnlichen Aufteilung. Das gute nachbarschaftliche Miteinander der späteren Partien Hupfer, Singler und Grimm zeigte sich letztlich auch bei der Renovierung im Jahre 1989 in die auch Schuttertals Heimatforscher Gerhard Finkbeiner (1940 bis 2009) mit eingebunden wurde. Aus den bis dahin drei Partien wurden später wieder zwei. Die Hofhälfte zur Kapelle gehört heute Josef Singler (Jahrgang 1966), die Hälfte zum Dorf Klaus Hermann Hupfer (Jahrgang 1959). Beide wohnen jedoch in neu erstellten Häusern auf den jeweiligen Hofseiten und haben auch den Wohnraum ihrer Hofhälfte jeweils vermietet.
Hochwasser könnte Grund für den Umzug sein
Und die Zeit davor?! Warum wurde das Hofgebäude im Dorf rückgebaut und oben im Hofweg wieder neu aufgebaut? Es könnte durchaus sein, dass gelegentliche Extremhochwasser der Schutter, die Hofbesitzer seinerzeit zu einem solchen Schritt bewogen haben. Dafür sprechen auch Belege, dass Mitte des 18. Jahrhunderts ein Hochwasser die komplette Talaue überflutete. Und es ist auch bekannt, dass der im August 1776 erstmals abgebrannte Wanglerhof, der einst am Unterrain stand, wegen der verheerenden Hochwasser weiter oben im heutigen Wurzgraben neu aufgebaut wurde. Es ist zugleich auch davon auszugehen, dass der einstige Schulzenhansenhof noch tiefer als der alte Wanglerhof gestanden haben muss.
An den Balken des Hofes am heutigen Standort belegen sichtbare Markierungen, dass das mächtige Bauernhaus früher einmal Balken für Balken abgetragen wurde. Solche Markierungen werden nämlich angebracht, wenn etwas abgebaut und an anderer Stelle wieder aufgebaut werden soll. Doch wer hat zuvor auf dem Hof unten im Dorf gewohnt und wie hießen diese Leute? Das Hofgut existierte also bereits schon unten im Dorf, obwohl die Geschichte der Menschen auf dem Schulzenhansenhof im Dörlinbacher Heimatbuch unter „Haus- und Hofgeschichten“ erst mit dem Aufbau im Hofweg durch Bernhard Griesbaum im Jahre 1826 beginnt. Offensichtlich war dies den Verfassern des Buches damals nicht bewusst, denn sonst hätte der Umstand des „Umzugs“ sicherlich seinen Platz darin gefunden.
Vom Kornspeicher zum Wohnhaus
Auf der Suche nach den Menschen, die den Hof bereits in der Talsohle bewohnt hatten, lohnt sich auch ein Blick auf den ehemaligen Kornspeicher des umgesiedelten Bauernhauses, das heute ein ganz normales Wohnhaus ist. Zunächst wurde es als Tagelöhnerhaus mit dem Beinamen s' Akzisers geführt. Dieser Hausname ist auf den Wagner Bernhard Griesbaum (1829 bis 1922) zurückzuführen, der Accisor (Steuereintreiber) war. Er ist übrigens auch ein Neffe zu jenem Bernhard Griesbaum, der auf dem Hof den Schulzenhansenhof neu aufbaute. Als in den Jahren 1922 und 1923 eine neue Kirche gebaut wurde, kam der aus Scherzingen stammende Zimmermann Karl-Friedrich Drescher (1889 bis 1973) ins Dorf. Er blieb und heiratete Angela Griesbaum (1989 bis 1973), mit der der lange in dem zum Wohnhaus umfunktionierten Kornspeicher lebte. Aus den Akzisers wurden so die Dreschers. Dieser Hausname hat bis heute noch Bestand. Die Dreschers hatten zwei Töchter. Die jüngere Elisabeth Theresia (1926 bis 2020) war mit dem Landwirt Joseph Kopf (1929 bis 2004) verheiratet und ist die Schwiegermutter des heutigen Hausbesitzers. Die ältere Anna Maria (Jahrgang 1923) war mit dem Zimmermann Emil Thoma (1926 bis 1985) verheiratet und erfreut sich noch bester Gesundheit. Sie ist inzwischen Dorfälteste und wurde erst vor wenigen Tagen 100 Jahre alt.
Zurück zu Friedrich Dreschers Ehefrau Angela, die quasi die Verbindung zum Erbauer des Schulzenhansenhof und späteren Mattesenhof im Hofweg ist. Angela war die jüngste von zwei Töchtern der Dienstmagd Fridolina Griesbaum (Jahrgang 1863), deren Sterbejahr nicht bekannt ist und auch nicht der Vater der beiden Töchter. Fridolinas Mutter Maria Anna Griesbaum (1829 bis 1910), eine Arbeiterin, blieb zeitlebens ledig. Auch sie hatte zwei Töchter, der Vater war ebenfalls unbekannt. Aber der Vater der ledigen Arbeiterin Maria Anna schon. Das war nämlich jener Bauer auf dem Schulzenhansenhof, der diesen im Jahre 1826 auf dem Kapellenberg, wie früher das ganze Gebiet vom Oberdorf bis hoch zum Hof genannt wurde, neu aufgebaut hatte. Übrigens: Der Türbogen zum Keller des früheren Kornspeichers weist auf das Jahr 1827 hin. Man kann davon ausgehen, dass in jenem Jahr der einstige Kornspeicher und spätere Tagelöhnerhaus noch einmal umgebaut worden ist.
Die Griesbaums bewirtschafteten schon den Hof in der Talsohle
Wenn man den Stammbaum des letzten Schulzenhansenhofbauers Bernhard Griesbaum weiter zurück verfolgt, wird schnell offensichtlich, wer einst auf dem gewohnt hat, als er noch auf s' Dreschers Matt gestanden hatte. Denn Bernards Vater Landolin Griesbaum (1762 bis 1848), der mit Agnes Billharz (1764 bis 1820) verheiratet war, wird bereits als Bauer auf dem früheren Schulzenhansenhof geführt. Bernhard war übrigens der Zweitjüngste von acht Kindern. Und auch Bernhards Großvater Michael Griesbaum (1718 bis 1772) war Bauer auf besagtem Schulzenhansenhof. Jener Michael Griesbaum war zunächst Bauer auf dem Sennhof in Ettenheimmünster. Er war nämlich mit Anna Gohl (1725 bis 1776) verheiratet, einer Tochter des Sennhofbauers Lorenz Gohl. Die Spuren der weiteren Vorfahren von Michael Griesbaum führen dann aber auf andere Höfe, nämlich auf den Rothweilerhof in den Durenbach sowie auf den Burehof nach Höfen. Daher gibt es keinen Hinweis (bislang zumindest), wann einst der alte Schulzenhansenhof in der Talaue errichtet wurde.
Veröffentlicht am 10. Juni 2023 / red
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