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Derlebacher G’schichtle Folge 29

Lesedauer: 3 Minuten

Woher kommen die kleinen Kinder?

Die Geburt eines Kindes ist bis heute etwas besonderes. Und früher, wo es noch Hausgeburten gab, waren solche Geburten ein großes Familienereignis. Ein Ereignis, das dann meist auch gleich Thema in der Dorfschule war. Und immer ging damit die Frage unter den Schülerinnen und Schüler umher: Woher denn eigentlich die Geschwisterchen kommen? An eines dieser Ereignis erinnerte sich im Dörlinbacher Heimatbuch (erschienen 1995) der langjährige Schulleiter Max Isele (1930 bis 2009) noch ganz genau.

Derlebacher Gschichtle Folge 29
Isele, der zwölf Jahre im Ort die Schulleitung inne hatte, erzählt in seinen Erinnerungen über eine Schülerin aus dem Prinschbach, die eines morgens in der Schule ganz aufgeregt von einem nächtlichen Familienereignis erzählte. Immer wieder kam es dem Mädchen über die Lippen: „Ein kleines Brüderchen ist gekommen!“ Daraus entwickelte sich schließlich eine lebhafte Diskussion zwischen den „Sachkennern“ und „Naivlingen“, wie sie Max Isele in seiner Rückblende bezeichnete.
Derlebacher Gschichtle Folge 29
Außenwandgemälde in der Brandhalde (Anwesen Kaspar). Hans Buschs Erstlingswerk an Dörlinbachs Hauswänden, das er im August 1975 fertigstellte.
Derlebacher Gschichtle Folge 29
Dass die Doktoren Fräßle aus Schweighausen oder Panther aus Seelbach die Überbringer gewesen sein könnten, wurde schnell verworfen. Wenn nicht einer der Ärzte, wer dann?! Heutzutage werden sicherlich viele solche Aussagen und Fragen belächeln. Schließlich gibt es Unmengen von Kinder- und Sachbüchern, die offen und unkompliziert teils mit pfiffigen Texten erklären, woher die kleinen Kinder kommen, was bei einer Geburt passiert und warum es Mädchen und Jungen gibt. Doch Anfang der 1960er-Jahre war eben noch vieles ganz anders. Dementsprechend entwickelte sich die Unterhaltung zu dem freudigen Ereignis an der Dorfschule. Ein anderes kleines Mädchen war sich sicher, wenn nicht einer der Ärzte den kleinen Bruder gebracht hat, dann muss es halt eben die Hebamme gewesen sein. Prompt entgegnete ein offensichtlich aufgeklärter Bub: „Du schpinnsch (spinnst) ja, die kleinen Kinder macht die Mutter selber.“ Daraufhin fiel diesem ein anderer Mitschüler ins Wort: „Das stimmt nicht, die Kinder bringt der Storch, wenn man ihm etwas Süßes auf den Fenstersims legt.“
Klapperstorch als Ausrede
Da wären wir nun bei der Legende vom Klapperstorch, der angeblich die Kinder bringen soll. Damit gemeint ist der Weißstorch, den wir auch als Adebar kennen. Und eben auch als Klapperstorch. Noch bis in die besagten 1960er-Jahren hinein wurde oft den Kindern verheimlicht, woher Brüderchen und Schwesterchen kommen. Jene Eltern haben sich mit dem Klapperstorch herausgeredet. Solche Ausreden gibt es heutzutage natürlich nicht mehr und es dürfte auch längst bekannt sein, dass diese zur Ausrede benutzte Annahme aus einer nordischen Erzählung stammt, wonach der Storch ein Kind aus dem Brunnen zieht und es dann der Mutter bringt. Dennoch hat sich daraus ein netter Brauch entwickelt, der bis heute noch von vielen gepflegt wird – auch in unserem Ort. Stellt sich Nachwuchs ein, wird am jeweiligen Haus ein meist aus Holz gestalteter Storch aufgestellt, der in seinem Schnabel ein in Windeln gewickeltes Baby trägt. Und zum Kind aus dem Brunnen sei angemerkt, dass in jenen Jahren, als im Prinschbach der Bub zur Welt kam, ganz in der Nähe ein Pfarrer seinen Schäfchen noch erzählt haben soll, die Kinder würden sogar aus einem ganz bestimmten Brunnen im Ort kommen. Der Brunnen wird dort übrigens bis heute „Kindlisbrunnen“ genannt.
Im Hebammenkörbchen waren andere Sachen drin
Zurück zu den Ereignissen im Prinschbach und der daraus resultierenden Unterhaltung in der Dörlinbacher Dorfschule. Das Mädchen aus dem Prinschbach bestätigte, dass auch ihre Tante gesagt habe, dass ihr neues Brüderchen vom Storch kommen würde. Aber sie hatte da ihre begründeten Zweifel. Etwas nachdenklich fügte sie nämlich an: „Aber ich glaube es nicht, denn jetzt im Winter sind alle Störche in Afrika. Und im Hebammenköfferchen habe ich nachgeschaut, da waren andere Sachen drin.“

Veröffentlicht am 9. August 2022 / red

Visuelle Impressionen zur Geschichte:

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