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Der Rothweilerhof

Lesedauer: 5 Minuten

Ein Kapitel in der Agrargeschichte Dörlinbachs

In Dörlinbach, einem idyllischen Teil des Schuttertals, ranken sich zahlreiche Geschichten um die Bauernhöfe der Region. Dazu gehören auch Brände, die es im Laufe der Geschichte von Dörlinbach immer mal wieder gab. Der letzte Großbrand datiert auf den 11. April 2002, als der Wanglerhof im erweiterten Ortskern bis auf seine Grundmauern niederbrannte. Eine besonders tragische und lehrreiche Erzählung ist die des Rothweilerhofs, der in den Annalen des Ortes als ein Symbol für gemeinschaftliches Leben und bäuerliche Traditionen steht.
Auch lokale Vereine entdeckten den Hof für ihre Festschriften oder Auszeichnungen – beispielsweise für den Flyer der 750-Jahr-Feier.
Der Rothweilerhof im Durenbach blickte auf eine beeindruckende Geschichte von über 350 Jahren zurück. Errichtet im Jahr 1629, war er eines der ältesten Hofgebäude im Schuttertal und stellte einen typischen Kinzigtal-Bautyp dar. In seinen Mauern lebten Generationen von Bauernfamilien, die den Hof gemeinsam bewirtschafteten. Was diesen Hof besonders machte, war die „unabgeteilte Gemeinschaft“, in der zwei Familien lebten und arbeiteten. Sie teilten nicht nur Wohnraum und Stallungen, sondern auch den Ertrag ihrer Ernte und die Verantwortung für die Bewirtschaftung der 54 Hektar Land.
Mathias und Rosalia Rothweiler waren einst Miteigentümer auf dem Rothweilerhof. Sie bewirtschafteten das Gut zusammen mit Mathias und Theresia Hummel.
Außenwandgemälde in der Brandhalde (Anwesen Kaspar). Hans Buschs Erstlingswerk an Dörlinbachs Hauswänden, das er im August 1975 fertigstellte.
Die Rothweilerhof-Familien Ohnemus und Hummel im Jahre 1917.
Doch trotz dieser harmonischen Lebensweise ist die Geschichte des Rothweilerhofs nicht ohne Tragik. Am 14. Juli 1990 wurde der Hof durch einen verheerenden Brand vollständig zerstört. Ursache war ein schadhafter Kamin – ein trauriger Zufall, der das Ende eines einzigartigen Lebensstils markierte. Zehn Personen aus den beiden Familien verloren ihr Zuhause und ihre Habseligkeiten, während glücklicherweise der Großteil des Viehbestands gerettet werden konnte. Zwei Bullen fanden allerdings in den Flammen den Tod.
Das Ende einer Ära
Vor dem Brand schien die Zukunft des Rothweilerhofs gesichert. Der Hof war ein herausragendes Beispiel für eine Agrarkommune, die über Jahrhunderte hinweg soziale Werte und eine besondere Lebensqualität entwickelt hatte. Doch nach dem verheerenden Feuer stellte sich die Frage nach der Fortsetzung dieser Tradition nicht mehr: Innerhalb weniger Jahre wurde auf dem alten Hofplatz ein neues massives Gebäude für die Familie Zehnle errichtet, während die Familie Ohnemus ein neues Zuhause oberhalb der einstigen Hofstelle fand. Die Felder, Wälder und Wiesen, die zuvor gemeinschaftlich bewirtschaftet wurden, wurden nun aufgeteilt, und eine bemerkenswerte Tradition der „unabgeteilten Gemeinschaft“ fand nach fast drei Jahrhunderten ein abruptes Ende.
Ein Rückblick in die Zukunft
Heute wird der Rothweilerhof oft in Erinnerungen wachgerufen, wenn die Bewohner von Dörlinbach über die Veränderungen sprechen, die ihre Gemeinde erlebt hat. Während andere Doppelhöfe in der Umgebung weiterhin bestehen, bleibt der Rothweilerhof ein einzigartiges Beispiel für eine Lebensform, die im Wandel der Zeit verloren ging. Seine Geschichte ist nicht nur ein Denkmal für die Vergangenheit, sondern auch eine Erinnerung daran, wie wertvoll gemeinschaftliches Leben und Zusammenarbeit sein können. So wird die Tradition des Rothweilerhofs, auch wenn sie physisch nicht mehr existiert, immer einen Platz in den Herzen der Menschen haben, die dort lebten und arbeiteten.

Hansjakob beeindruckt vom Leben auf dem Hof

Der faszinierende Ort im Durenbach, der Rothweilerhof im Durenbach, erregte übrigens auch die Aufmerksamkeit des aus Haslach im Kinzigtal stammenden Heimatschriftstellers und katholischen Geistlichen Heinrich Hansjakob (1837 bis 1916). Hansjakob war fasziniert von der harmonischen Lebensweise, die dort zwischen zwei Familien und mehreren Generationen herrschte – ein Beispiel für gelebte Solidarität, das ihn an das Urchristentum erinnerte. Für Hansjakob, der viele Geschichten über die stolzen und selbstgerechten Bauernfürsten des Kinzigtals erzählte, war diese Art des Gemeinschaftslebens eine bemerkenswerte Erfahrung. Es zog ihn daher mehr als einmal auf den Rothweilerhof, wo er nicht nur die ländliche Idylle, sondern auch die Lebensfreude der Menschen erlebte. Über seine Eindrücke berichtete er in seinem Buch „Dürre Blätter“, das 1880 in Heidelberg veröffentlicht wurde. Allerdings ist Hansjakob bei seinen Aufzeichnungen ein Missverständnis unterlaufen, das interessante Einblicke in seine Wahrnehmung und die damalige Zeit bietet. Mehr darüber erfahrt ihr in dem Blog-Beitrag „Hansjakob bei den Engelmenschen im Durenbach“ vom 23. Juli 2022, Teil der Reihe „Derlebacher G’schichtle“ (Folge 28).

Ein beliebtes Motiv

Der Rothweilerhof erfreute sich stets großer Beliebtheit als Fotomotiv. Wanderer und Hobbyfotografen sowie -fotografinnen fanden immer wieder den Weg in den Durenbach, um die eindrucksvolle Kulisse festzuhalten. Auch lokale Vereine entdeckten den Hof für ihre Festschriften, wodurch das imposante Gebäude nicht selten auf Jubiläumsschriften oder sogar Auszeichnungen für die internationalen Volkswandertage in Dörlinbach zu finden war.

Das Familiengeschlecht auf der Striegel-Seite (bis zum Brand):

Jakob Striegel (Geburtsdatum nicht bekannt / gestorben 1690)

verheiratet mit Christrina, geborene Hin (Geburtsdatum nicht bekannt / gestorben 1694)

Johann Georg Striegel  (1671 bis 1740)

verheiratet in erster Ehe mit Catharina, geborene Ringwald, aus Biederbach (Geburtsdatum nicht bekannt / gestorben 1714)

verheiratet in zweiter Ehe mit Anna, geborene Singler (1690 bis 1758) aus Schweighausen

Georg Striegel (1697 bis 1769)

verheiratet mit Anna Maria, geborene Blust (1717 bis 1768) aus Schweighausen

Johannes (Johann) Striegel (1758 bis 1832)

verheiratet in erster Ehe mit Magdalena, geborene Griesbaum (1757 bis 1814)

verheiratet in zweiter Ehe mit Susanna, geborene Krämer (Jahrgang 1748 / Sterbedatum nicht bekannt) aus Schweighausen

Marcus Striegel (1776 bis 1826)

verheiratet in erster Ehe mit Barbara, geborene Köbele (1770 bis 1844) aus Schweighausen

verheiratet in zweiter Ehe mit Catharina, geborene Ambs (1779 bis 1852), aus Welschensteinach

Johann Georg Rothweiler (1798 bis 1871) aus Wittelbach

verheiratet mit Hof-Erbin Katharina, geborene Striegel (1807 bis 1888)

Matthias Rothweiler (1827 bis 1893), Gemeinderechner

verheiratet mit Rosalia, geborene Singler (1828 bis 1895), vom Engelhof

Richard Rothweiler (1851 bis 1924)

verheiratet mit Barbara, geborene Hummel (1846 bis 1919) aus Schweighausen

(Ehe blieb kinderlos)

Hermann Ohnemus (1886 bis 1916)

(gefallen in Mazedonien)

verheiratet mit Berta, geborene Griesbaum (1892 bis 1976), aus Schweighausen

Wilhelm Himmelsbach (1888 bis 1953) aus Wittelbach

verheiratet mit der Witwe Berta Ohnemus, geborene Griesbaum (1892 bis 1976)

Alois Ohnemus (1916 bis 1976)

verheiratet mit Berta, geborene Griesbaum (Jahrgang 1922)

Das Familiengeschlecht auf der Griesbaum-Seite (bis zum Brand):

Michael Griesbaum (1651 bis 1720), Vogt

verheiratet in erster Ehe mit Regina. geborene Mellert (1649 bis 1695)

verheiratet in zweiter Ehe mit Anna Elisabetha, geborene Singler (1669 bis 1749)

Johannes (Johann) Griesbaum (1681 bis 1754), Gerichtsmann

verheiratet in erster Ehe mit Salomea, geborene Winterer (Geburtsdatum nicht bekannt / gestorben 1720)

verheiratet in zweiter Ehe mit Anna Elisabetha, geborene Himmelsbach / Himmelspach (Geburtsdatum nicht bekannt / gestorben 1765) aus Schuttertal

Roman Griesbaum (1732 bis 1812)

verheiratet mit Maria Clara, geborene Singler (1741 bis 1814)

Johann Baptist Griesbaum (1783 bis 1867), Waisenrichter

verheiratet mit Barbara, geborene Griesbaum (1786 bis 1845) aus Ettenheimmünster

Johannes Griesbaum (1822 bis 1900)

verheiratet mit Franziska, geborene Billharz (1820 bis 1894) aus Schweighausen

Mathias Hummel (1849 bis 1892) aus Schweighausen

verheiratet mit Hof-Erbin Theresia, geborene Griesbaum (1857 bis 1931)

Landolin Hummel (1888 bis 1914)

gefallen in Nordfrankreich

verheiratet mit Sofie, geborene Stulz (1893 bis 1959) aus Schweighausen

Hermann Zehnle (1896 bis 1954)  vom Robertshof in Schweighausen

verheiratet mit der Witwe Sofie Hummel, geborene Stulz (1893 bis 1959)

Johannes Zehnle (Jahrgang 1934)

verheiratet mit Maria, geborene Griesbaum (Jahrgang 1933)

Veröffentlicht am 25. Juli 2022 / red

Visuelle Impressionen zur Geschichte:

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