In den Abendstunden gehen die „Säcklistrecker“ zu dem Haus, in dem geschlachtet wird. Heimlich versteht sich. Unbemerkt wird dann der Stecken mit dem Säckchen vor die Haustüre, beim Küchenfenster oder auch beim Kellerfenster hingestellt. Ehe die Burschen verschwinden, machen sie sich durch Poltern oder Klingeln bemerkbar. Nun beginnt für die Burschen die Zeit des lagen Wartens. In den kalten Wintermonaten bedeutet dies für die „Säcklistrecker“ erst einmal einen wärmenden Ofen aufzusuchen. Oft lässt die Gruppe auch einen Aufpasser zurück, der die anderen alarmiert, wenn das Säckchen gefüllt ist.
„Säägmehl-Wurst“ als Schabernack
Was passiert in dieser Zeit im Haus? Die Leute holen das „Säckli“ herein. Dieses wird selbstverständlich gefüllt, denn es nicht zu füllen, wäre für die Hausschlachter eine große Schande. Man würde von dem Geiz der Leute überall im Ort erzählen. Also wird das Säckchen mit allerlei hausgemachter Wurst und auch mit Fleisch gefüllt. Aber auch die Hausschlachter haben Humor. Der eine oder andere macht sich ein Spaß, indem er auch mal eine „Säägmehl-Wurst“ hinzu tut. Ein Schabernack bei dem der Darm mit nassem Sägemehl gefüllt wird – immer wieder eine gelungene Überraschung für die „Säcklistrecker“.
Draußen schmieden derweil die Burschen Pläne, wie sie das gefüllte Säckchen unbemerkt zurückholen können. Dies ist nicht immer einfach, denn die Leute passen natürlich auf. So kann sich die Abhol-Aktion die ganze Nacht oder gar noch länger hinziehen. Das Risiko für die „Säcklistrecker“ ist schlichtweg erwischt zu werden. Dann nämlich wird der „Gefangene“ in die Küche geführt. Mit auf dem Rücken zusammengebundenen Händen müssen sie sich an den Tisch setzen, um einen oder mehrere Teller voll Fleisch, Wurst oder zumeist auch eine „Metzgersuppe“ restlos auf- beziehungsweise leerzuessen. Für die Hausschlachter wahrlich eine Gaudi, vor allem wenn der Hausherr den erwischten „Säcklistrecker“ beim Suppen schlürfen kräftig nachhilft, indem der dessen Schnauzbart (sofern vorhanden) in der Suppe baden lässt.
So war es von alters her, aber ganz so streng ging es in den 1980er-Jahren dann doch nicht mehr zu. Die Brauchtumsregel wurde nicht mehr so eng gesehen, so dass oft der Erwischte zu einem gemeinsamen „Metzgerschmaus“ ins Haus gebeten wurde. Neu war auch, dass nun auch Mädchen beim „Säcklistrecke“ mit dabei waren. Der Brauch flammte im Ort insbesondere durch die Guggemusiker wieder auf. Sie trugen nämlich nicht nur den Namen als „Säcklistrecker Gugge“ in die Welt hinaus, sondern waren auch immer wieder nachts als „Säcklistrecker“ bei den Hausschlachtungen aktiv. Fast ein Jahrzehnt lang. Aber mit dem Rückgang der Hausschlachtungen durch neue Richtlinien, war die Flamme für die „nächtlichen Nebenbeschäftigungen“ bald wieder erloschen.
Eine Bratwurst dreimal um den Ofen
Widmen wir zum Ende des Blog-Beitrags noch einem jenen Sprüchen in den Säckchen, die an die Metzgersleut' gerichtet wurden. Hier ein Beispiel:
„Guten Abend Ihr lieben Metzgersleut!
Es spricht sich herum, dass Ihr schlachtet heut.
Unsere Sau ist leider immer noch nicht fett,
deshalb bin ich bei Eurem Schlachtfest keck.
Ich würde es sonst sicher nicht wagen,
ein so schweres Säckchen heimzutragen.
Die Sau war bestimmt an die vier Zentner schwer,
so schadet es Euch garantiert nicht sehr,
wenn Ihr etwas in meinen Sack hinein
etwas von diesem armen Schwein.
Ich möcht Euch ja nicht belästigen oder schaden,
doch hätt ich auch gern ein Stück von dem Braten.
Auch eine frische Wurst ist recht,
sonst wird Euch das Zeug doch alles schlecht.
Ihr könnt jetzt beruhigt in Eure Betten gehen.
Ich danke Euch recht herzlich, Aufwiedersehn!“
Diese „Säcklistrecker“-Sprüche gab es mit der Zeit in mehreren Variationen, teils der Zeit angepasst. Eines durfte allerdings nie fehlen: der Humor. So wurde beispielsweise in einem anderen Spruch um eine Bratwurst gebeten, die dreimal um den Ofen herum und zum Fenster hinaus bis in das Säckchen reicht.
Veröffentlicht am 16. März 2021 / red
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