Er selbst war dabei immer mit Kleidern aus alter Zeit ausstaffiert. Und im Brotkorb lagen keine Brötchen oder sonstiges Gebäck. Vielmehr hatte er den ganzen Korb voller „Gutsele“ (Bonbons). Diese warf er in die wartende Menge. Natürlich gab es unter den Kindern hin und wieder auch ein „Geschubse“, schließlich wollten alle etwas von Oskars Süßigkeiten erhaschen.
Auswerfen von Süßigkeiten
Und nun kam auch besagter Roman ins Spiel, den alle im Dorf als „Botter-Rumä“ kannten. Die beiden hielten nach dem Auswerfen der Süßigkeiten immer einen närrischen Vortrag aus einem der Fenster der „Löwen“-Gaststätte. Gemeinsam munterten sie die Kinder und Jugendlichen dazu auf an einem närrischen Umzug durch den Ort teilzunehmen. Oft ging dieses närrische Treiben bis in die Abendstunden hinein. Am Abend dann versammelten sich die beiden Motivatoren mit ihrem älteren Anhang nochmals in beiden Gaststätten – im „Löwen“ als auch im „Engel“ – zu einem sogenannten „Fasentstanz“. In jenen Nachkriegsjahren gab es noch keinen „Fasentsball“ oder sonstige närrische Veranstaltungen.
Die Mädchen-Jugend aus jener Zeit machte übrigens tagsüber auch schon mit, wobei sie Kostüme aus alten Röcken und Kleidern aus der Zeit ihrer Eltern und Großeltern trugen. Dabei fehlte es auch nie an Trachtenröcken und Kopfbedeckungen, die irgendwo in einer Truhe oder gar auf dem Speicher schlummerten und just zu diesem Ereignis wieder hervorgeholt wurden. Bei den älteren Leuten war dieses Fasentstreiben noch nicht so beliebt. Sie konnten in dieser Anfangszeit dem Spruch: „Wer über Fasent kein Narr ist, ist das ganze Jahr einer“, noch nichts abgewinnen. Doch die Jüngeren hegten und pflegten in den Folgejahren diese Art des närrischen Treibens. Und mit der Zeit fanden auch die älteren Leute im Ort immer mehr Gefallen daran. Erst recht natürlich, als sich auch Musiker zu der stetig wachsenden Narrenfamilie hinzugesellten. Sogleich nahm auch der Umzug immer größere Dimensionen an. Das Narrenvolk zog fortan an der Fasent von der Hub bis nach Höfen.
Fortsetzung durch den Musikverein
Der Musikverein, der schon in den 1950er-Jahren an den närrisch-tollen Tagen kräftig mitmischte, übernahm sozusagen das „Erbe“ von den zwei Protagonisten, dem „Gutselewefer Oskar“ und dem „Botter-Rumä“, und bewahrte somit das fasnächtliche Brauchtum in Dörlinbach. Es war eine Zeit in der übrigens nicht nur Oskar Wehrle und Roman Ohnemus das fasnachtliche Bild im Ort prägten. Auch Basilius Deibel (1887 bis 1963), Anton Wölfle (1899 bis 1964) und Johann Georg Griesbaum (1899 bis 1964) hatten seinerzeit der „Derlebacher Fasent“ – jeder auf eine besondere und unvergessliche Weise – ihren Stempel aufgedrückt. Alle hier genannten „Originale“ waren auch noch unter der Federführung des Musikvereins immer wieder an Fasnacht im Dorf präsent.
Diesem Blog-Beitrag haben wir ein einminütiges Filmchen mit dem Titel „Derlebacher Rosemaendig 1968 mit Gutselewerfer Oskar“ angefügt. Darauf zu sehen sind neben dem Oskar noch weitere Dörlinbacher Originale wie beispielsweise „d' Fischer Sattler“ alias Hermann Joseph Fischer (1926 bis 1995) als auch „s' Maxe Eugen“ alias Max Eugen Singler (1932 bis 1998).
Veröffentlicht am 8. April 2021 / red
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