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Derlebacher G’schichtle Folge 18

Lesedauer: 3 Minuten

Als das Motorrad laufen lernte

Früher war auf den Talstraßen kaum motorisierter Verkehr. Erst nach und nach kamen Motorräder und Autos nach Dörlinbach. Der Verkehr war überschaubar und beschaulich zugleich. Zu den ersten Automobilen im Ort gehörten unter anderem DKW’s mit Holzkarosserie, deren Türen sich von vorne nach hinten öffneten. Später rollten erste VW-Käfer über Dörlinbachs Straßen.

Derlebacher Gschichtle Folge 18
Nach dem Krieg verbreitete sich der Käfer mit Heckantrieb weiter, aber nun auch NSU-Modelle wie der Prinz und Kleinstwagen wie das Gogomobile, kurz Gogo genannt. Aus jenen Jahren, als kaum motorisierter Verkehr auf den Straßen und Wegen unterwegs war, kursieren heute noch erstaunliche Geschichten im Ort, die vor allem bei Familientreffen immer wieder gerne die Runde machen. Und meist betreffen diese Geschichten fast ausschließlich die Zweiradfahrer.
Derlebacher Gschichtle Folge 18
Außenwandgemälde in der Brandhalde (Anwesen Kaspar). Hans Buschs Erstlingswerk an Dörlinbachs Hauswänden, das er im August 1975 fertigstellte.
Derlebacher Gschichtle Folge 18
Geschichten, die teilweise heute undenkbar wären. So wie zum Beispiel eine Heimfahrt von Alois Schätzle sen. (1890 bis 1960). Der Geschäftsmann kehrte im Gasthaus „Zum Ochsen“ in Wittelbach ein, wo er offensichtlich zu tief ins Glas geschaut hatte. Alkoholkontrollen und Fahruntüchtig waren zu jener Zeit noch „Fremdwörter“ im Tal. So konnte er auch problemlos seine Weiterfahrt antreten. Mehr noch: Die Wirtsleute setzten ihn auf sein Motorrad, schoben in an und telefonierten mit Schätzles Zuhause, dass er jetzt unterwegs sei. In den Erzählungen heißt es immer wieder, das Motorrad kannte ja den Weg. Und tatsächlich kam er unfallfrei auf dem Motorrad sitzend in Dörlinbach an. Erst vor der Haustüre fiel das Motorrad mit ihm um – direkt vor dem bereits Spalier stehenden „Empfangskomitee“.
Mit dem Motorrad die Treppe hoch
Anders erging es hingegen Schätzles zweitältestem Sohn Karl bei einer Heimfahrt, bei der allerdings kein Alkohol im Spiel war. Seine Fahrt nach Hause wurde in Schuttertal abrupt gestoppt. Er war einfach beim Gasthaus „Zum Adler“ viel zu schnell in die Kurve eingefahren. Doch Karl Schätzle legte sein Maschine nicht auf den Boden, stützte also auch nicht, er wusste sich überraschend gut aus der misslichen Situation zu retten. Seine Rettung war nämlich ein in der Kurve stehendes Wohnhaus mit einer ziemlich hohen Eingangstreppe. Er konnte tatsächlich das Motorrad so abfangen, dass es ihm gelang mit ihm die Stufen nach oben zu fahren. Dadurch wurde das überschüssige Tempo so gedrosselt, dass er tatsächlich mit der Maschine oben an der Haustüre zum Stehen kam.
Nicht schlimm, ich habe ja noch Ersatzbeine
Noch eine weitere spektakulär endende Heimfahrt eines Dörlinbachers sorgte für Gesprächsstoff. Diesmal ist der Protagonist Wilhelm Singler (1914 bis 2001), der in Wittelbach einmal mit seinem Motorrad stürzte. Singler lag auf der Straße und eine Frau eilte hinzu. Und die bekam einen Mordsschrecken, denn beide Beine lagen abgetrennt etwas weiter weg von dem Verunglückten. Singler schrie zur Überraschung der Frau nicht einmal vor Schmerzen und seine Reaktion schockte sie noch mehr. Er lachte nämlich und entgegnete der Frau, dass sie sich keine Sorgen um ihn machen müsse. Es sei nicht weiter schlimm, er habe ja noch Ersatzbeine zu Hause im Schrank stehen. Und morgen würde er sich in Freiburg sowieso neue Beine holen. Was die Frau nicht wissen konnte: Singler war Kriegsinvalide und trug Holzbeine. Die Frau fiel daraufhin in Ohnmacht und musste ins Krankenhaus eingeliefert werden. Singler hingegen blieb mehr oder weniger schadlos und konnte seinen Heimweg fortsetzen.

Veröffentlicht am 10. März 2024 / red

Visuelle Impressionen zur Geschichte:

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