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Geschichte erleben

Lesedauer: 5 Minuten

Tafeln an historischen Gebäuden

Wer durch den Ort spaziert stößt hier und da auf blaue Tafeln mit weißer Schrift, die allesamt an historischen Gebäuden angebracht sind. Die Tafeln sollen auf deren historische Bedeutung aufmerksam machen. Die Idee dazu reifte im Jahre 1994 innerhalb des Historischen Vereins Seelbach-Schuttertal (Verein existiert heute nicht mehr) zwei Jahre vor der Umsetzung. Doch zunächst galt es für den damaligen Vorsitzenden des Historischen Vereins, Gerhard Finkbeiner (1940 bis 2009), jemand in Dörlinbach zu finden, der das Ganze in die Tat umsetzen kann.

Schild Nr. 7: Ehemalige Herrschaftliche Bannmühle. Die Bannmühle des Klosters Ettenheimmünsters wird im Jahre 1226 erstmals urkundlich erwähnt (Mühlweg).

Finkbeiner konnte für die geplante Aktion den Verkehrsverein Dörlinbach gewinnen (auch dieser Verein existiert heute nicht mehr – (siehe Blog-Beitrag „Verkehrsverein Dörlinbach“ vom 20. Mai 2021). Dessen Vorsitzender war seinerzeit Josef Busam (Jahrgang 1937), dessen Aufgabe es war, die Eigentümer der vorgesehenen Gebäude von der geplanten Aktion zu überzeugen und sie mit ins Boot zu holen. Das war wahrlich kein Selbstläufer, zumal die Eigentümer den Großteil der Kosten für die Tafeln mittragen sollten.

Schild Nr. 4: Kleinbäuerliches Handwerkerhaus (s' Moritze). Das Handwerkerhaus wurde 1734 in Ständer-Bohlen-Bauweise erbaut (Oberdorf).
Außenwandgemälde in der Brandhalde (Anwesen Kaspar). Hans Buschs Erstlingswerk an Dörlinbachs Hauswänden, das er im August 1975 fertigstellte.
Schild Nr. 8: „Herre-Ländels“. Ein Bollen-Ständer-Haus das Anfang der 1780er-Jahre auf den Grundmauern des Freihofs errichtete wurde (Unterrain).
Es gelang Finkbeiner jedoch in relativ kurzer Zeit die Eigentümer von dem Vorhaben zu überzeugen. Letztendlich war die Resonanz der Eigentümer durchweg positiv. Dennoch kam es erst einmal zu einem Stillstand, den die Suche nach einer geeigneten Firma verursachte. Schilder-Firmen gab es freilich reichlich, aber nicht die Angebote zu einem annehmbaren Preis und in der erforderlichen Ausgestaltung herstellen konnten beziehungsweise wollten. Erst Mitte des Jahres 1996 wurde man fündig und Ende Oktober des gleichen Jahres konnte mit der Anbringung der Tafeln begonnen werden. Auserwählt waren insgesamt acht Gebäude im Ort.
Freihof und Klostermühle

Zu den ersten montierten Tafeln gehörte jene am Nachfolgegebäude des ehemaligen Freihofs des Kloster Ettenheimmünsters am Unterrain. Das Anfang der 1780er-Jahre auf den Grundmauern des Freihofs errichtete Bollen-Ständer-Haus bekam im Verlauf der Jahrhunderte zwei (drei) Übernamen, die heute noch so im Ort präsent sind: „s’ Herre-Ländels“ und „s’ Ratschriebers“ beziehungsweise „s’ alde Ratschriebers“ (weitere Infos unter Blog-Beitrag „Ein Juwel am Unterrain“ vom 13. Juli 2021). Nicht unweit davon entfernt befand sich die ehemalige Klostermühle, die ebenfalls mit einer Tafel bestückt wurde. Die ehemalige „Herrschaftliche Bannmühle“ des Klosters Ettenheimmünsters wird im Jahre 1226 erstmals urkundlich erwähnt. Der Mahlbetrieb wurde im Jahre 1965 eingestellt. Noch heute ist das Gebäude unter dem Übernamen „s’ Stadtmüllers“ im Ort bekannt.

Wirtshäuser und Rathaus

Tafeln wurden auch an den beiden Gasthäusern in der Ortsmitte angebracht. Am Gasthaus „Zum Engel“ an der Einmündung zum Mühlweg sowie am gegenüberliegenden Gasthaus „Zum Löwen“ an der Hauptstraße. Das älteste Wirtshaus dürfte zweifelsohne der „Engel“ sein. Es diente nicht nur als Trinkstube des Dorfes, sondern auch als Gemeindestube, wo das örtliche Gericht tagte. Seit 1883 ist das Haus in Besitz der Familie Grimm, die heute noch die Gasstätte betreibt. Auch der „Löwen“ hatte unterschiedliche Nutzungen. Zunächst als Bauernhaus mit Wirtschaftsraum. Im Jahre 1893, nachdem ein Brand das alte Wirtshaus im Jahr zuvor vernichtet hatte, wurde das heutige Gasthaus aufgebaut. Gegenüber dem „Löwen“ befindet sich das Dörlinbacher Rathaus, wo zum Ende der ersten Novemberwoche 1996 im Beisein der wichtigsten Protagonisten der Aktion, nämlich Gerhard Finkbeiner, Josef Busam, Bruno Dilger (1935 bis 2016) und dem damaligen Bürgermeister der Gemeinde Schuttertal, Bernhard Himmelbach (Jahrgang 1940), das letzte der acht Schilder öffentlich angebracht wurde. In dem Gebäude, das im Jahre 1835 als Rat- und Schulhaus neu aufgebaut wurde, befindet sich heute die Verwaltung der Gemeinde Schuttertal (Näheres siehe unter Blog-Beitrag „Der Verwaltungssitz“ vom 25. Mai 2021).

Volksschule, Dorfkirche und Handwerkerhaus

Weitere Tafeln wurden bereits zuvor an der früheren Volksschule in der Hauptstraße, an der Pfarrkirche St. Johannes im Oberdorf sowie an einem kleinbäuerlichen Handwerkerhaus, das sich ebenfalls im Oberdorf befindet, angebracht. Das Volksschul-Gebäude wurde in den Jahren 1903 und 1904 errichtet und diente bis 1964 als Dorfschule (siehe dazu auch unter Blog-Beitrag „Eine spannungsgeladene Schulgeschichte“ vom 15. März 2021). Heute wird das als „Alte Schule“ bezeichnete Gebäude von örtlichen Vereinen genutzt. Die heutige Pfarrkirche wurde in den Jahren 1922 und 1923 auf dem Gelände erbaut, wo zuvor die alte Dreifaltigkeits-Kapelle stand. Das 1132 eingeweihte Dorfkirchlein zählte zu den ältesten christlichen Baudenkmälern in der Region und wurde dennoch im Jahre 1922 in einer Art „Nacht-und-Nebel-Aktion“ abgerissen, um Platz für die neue Pfarrkirche zu schaffen (Näheres dazu unter Blog-Beitrag „Die Gotteshäuser“ vom 27. August 2021).

Vereinsnamen „ausgelöscht“

Nach etwas mehr als zweieinhalb Jahrzehnten sind die Tafeln noch recht gut erhalten und weißen die Dörlinbacherinnen und Dörlinbacher als auch die Besucherinnen und Besucher auf die frühere Bedeutung des Ortes hin. Nämlich auf jene Zeit, als der Ort noch zum Kloster Ettenheimmünster gehörte. Zum Schluss sei noch angemerkt, dass die beiden an der Aktion beteiligten Vereine (Verkehrsverein Dörlinbach und Historischer Verein Seelbach-Schuttertal) an der Unterkante der Schilder kaum noch lesbar sind. Teilweise wurden die Vereinsnamen abgeklebt, teilweise wurde offensichtlich versucht die Namen unkenntlich zu machen. Nur warum?! Beide Vereine sind zwar inzwischen nicht mehr existent, aber sind doch auch Teil der Geschichte dieser Aktion und dieses Ortes.

Auflistung der Schilder an den historischen Gebäuden:

  • Nr. 1   Rathaus
  • Nr. 2   Volksschul-Gebäude
  • Nr. 3   Pfarrkirche St. Johannes
  • Nr. 4   Kleinbäuerliches Handwerkerhaus
  • Nr. 5   Gasthaus Zum Löwen
  • Nr. 6   Gasthaus Zum Engel
  • Nr. 7   Ehemalige Herrschaftliche Bannmühle
  • Nr. 8   „Herre-Ländels“

Veröffentlicht am 16. April 2022 / red

Visuelle Impressionen zur Geschichte:

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