Aus dem Ortsbild verschwunden – Teil 1
Gebäude, Gedenkstätten, Kunstwerke und mehr
Einen Blick in die Geschichte des Dörlinbachs zu werfen, heißt auch den Blick auf verschwundene Häuser oder Denkmäler beziehungsweise veränderte Häuser und Denkmäler zu richten. Manche Abrisse waren unumgänglich andere hingegen „schmerzen“ bis heute. Alle sind oft steinerne Zeugen, die einst den Ort prägten.

In diesem Blog-Beitrag wollen wir an jene Gebäude und Gedenkstätten erinnern. Aber auch an veränderte Plätze oder einfache aber markante Schuppen. Es sind bei weitem längst noch nicht alle. Wir werden zu einem späteren Zeitpunkt uns noch einmal dieser Thematik in einem weiteren Blog-Beitrag widmen. Genau gesagt, wenn wir entsprechendes Bildmaterial vorliegen haben.
Das sicherlich bedeutendste Bauwerk ist zugleich eines der ältesten im Ort gewesen. Die Dreifaltigkeitskapelle, die meist nur das „alte Kirchlein“ genannt wurde. Auf ihrem Platz steht heute die Pfarrkirche St. Johannes (siehe dazu unter Blog-Beitrag „Gotteshaus ab 1132“ vom 12. März 2021). Dieses erste Gotteshaus im Ort war zweifelsohne ein Juwel aus romanischer Zeit und wäre im Jahre 2032 wie die noch bestehende Wittelbacher Kirche 900 Jahre alt geworden. Doch in Dörlinbach wollte oder konnte man den kulturhistorischen Wert des Kirchleins nicht erkennen und riss im Jahre 1922 in einer Nacht-und-Nebel-Aktion das Kirchlein ab, um an selbiger Stelle eine neue, größere Kirche zu bauen. Pläne das zu den ältesten christlichen Baudenkmälern der Region zählenden Kirchlein zu erhalten und in den Bau der neuen Kirche zu integrieren, stießen in Dörlinbach und insbesondere beim damaligen Bürgermeister Anton Müllerleile (1854 bis 1923) sowie auch dem zuständigen Pfarrer aus Schweighausen, Andreas Halter (1869 bis 1938), auf taube Ohren.
Nur unweit vom alten Kirchlein steht im Dorfweg das sogenannte „Hisle“, in dem einst Apollonia Ohnemus (1897 bis 1978), die über viele Jahre hinweg sowohl in der alten Kapelle Zur Dreifaltigkeit sowie in der in den Jahren 1922 und 1923 neu erbauten Kirche den Mesnerdienst versah. In dem kleinen Häuschen wohnten einst auch die ledigen Frauen Appolonia (1855 bis 1939) und Barbara Weber (1843 bis 1928), die ihre Spuren in Dörlinbach vor allem dadurch hinterließen, dass sie für die Ortsbewohner nähten, bügelten und Hemden stärkten. Und Barbara Weber verdiente sich zusätzlich Geld, indem sie im Anliegen und Auftrag von Dorfbewohnern auf Wallfahrt ging – zu Fuß zur „Schwarzen Madonna“ ins schweizerische Einsiedeln. Das „Hisle“ ist dem Ortsbild erhalten geblieben, allerdings präsentiert sich das umgebaute Haus heute in einem völlig neuen Erscheinungsbild.
Komplett verändert hat sich der Blick zur Herrenmatte. Zunächst verschwand „Schnienderseppe Hus“. In jenem Haus wohnte einst der Wagnermeister, Chronist und Dorffotograf Joseph Rotweiler (1902 bis 1982), der bis ins hohe Alter alle Feierlichkeiten im Ort mit seiner Kamera festhielt (siehe auch unter „Bildchronisten von einst“ vom 9. Juni 2021). Seit den 1990er-Jahren steht dort ein neues Wohnhaus. Gegenüber auf den anderen Seite zur Blumenstraße hin stand einst ein alter Schuppen und gleich daneben das Zementlager von Hermann Faißt (1929 bis 2000). Auch diese verschwanden aus dem Ortsbild zugunsten dem Bau einer Sparkasse. Aber auch die Sparkassen-Filiale ist längst Geschichte. Das Gebäude mit Filiale im Erdgeschoss und Wohnungen in den oberen Stockwerken wurde inzwischen zu einem reinen Wohngebäude umfunktioniert. Die größte Veränderung gab es auf der Herrenmatt entlang der Schutter. Der riesige unbefestigte Platz Richtung Süden, der unter anderem als Festplatz und auch als Parkfläche diente und an dessen Südecke sich zeitweise auch ein Spielplatz befand, wurde in den 1980er-Jahren buchstäblich umgekrempelt. Der Spielplatz wurde zur heutigen Grundschule hin verlegt, denn die Fläche wurde für den Bau einer Turn- und Festhalle benötigt. Diese wurde im Jahre 1984 eingeweiht. Die Fläche davor wurde teils begrünt, teils für Parkplätze gepflastert. Und im vorderen Bereich zur Herrenmatt-Brücke hin wurde zudem im Jahr des Hallenbaus der Vier-Jahreszeiten-Brunnen installiert. Zurück bleiben die Erinnerungen an den „Schniendersepp“, der meist an seinem Hauseingang die Kommunionkinder ablichtete, an Hermann Faißt, der in seinem Zementlager herumhantierte, an den Gärtner und Gemüsehändler Herbert Josef Wehrle (1933 bis 2020), der täglich seinen legendären ockerfarbenen Kleinlaster auf dem alten Festplatz abstellte und an all die Kinder und jungen Leute, die sich auf dem Spielgelände tummelten. Für die meisten Jugendlichen im Ort war der Spielplatz der zentrale Treffpunkt in jenen Jahren (siehe dazu unter Blog-Beitrag „Spielplatz Herrenmatt“ vom 28. März 2021).
Nun ein Blick in den Schätzleweg. Dort stand früher die „Residenz“ der erst Schätzles im Ort (deshalb auch der Name „Schätzleweg“). Das Wohnhaus steht zwar noch, allerdings umgebaut und in einem ganz anderen Erscheinungsbild. Ähnliches gilt auch für das Wohnhaus von Alois Schätzle (1890 bis 1960) und dessen Ehefrau Maria Theresia (1895 bis 1966) geborene Edte in der Hauptstraße. Allerdings sind dort beispielsweise die Giebelverzierungen und Dachgauben noch erhalten. Weitere Infos zu den Schätzles gibt es auch unter Blog-Beitrag „Erinnerung an die Ahnen“ vom 3. April 2022. Nur unweit von dem Schätzle-Wohnhaus in der Hauptstraße befand sich der ehemalige Kurpark mit einer Miniaturgolfanlage. Sowohl der untere Platz mit dem Nierenbrunnen (auch Springbrunnen genannt) als auch der obere Platz, wo man Minigolf spielen konnte, waren jahrzehntelang das touristische Aushängeschild von Dörlinbach. Für die Minigolfanlage kam allerdings im Jahre 2011 das „Aus“. Sie wurde durch eine Pit-Pat-Anlage ersetzt. Mehr dazu in den Blog-Beiträgen „Verkehrsverein Dörlinbach“ vom 20. Mai 2021 sowie „Miniaturgolf in Dörlinbach“ vom 14. Dezember 2021.
Kommen wir zum sogenannten „Soldaten“, der bei seinem unfreiwilligen Wegzug von der Ortsmitte in eine Kaserne in den Hochschwarzwald für große Empörung im Ort sorgte. Die Bevölkerung wurde nicht gefragt, der Gemeinderat beschloss einfach seine „Verbannung“ in nicht-öffentlicher Sitzung. Die Rede ist vom Krieger-Ehrenmal, das einst die „Kriegerkameradschaft Dörlinbach“ zum ehrenden Gedenken an die vermissten und gefallenen Soldaten des Ersten Weltkriegs mitten im Dorf errichten ließ. Ausführliche Infos zum Ehrenmal und dem aus dem Ortsbild verschwundenen „Soldaten“ gibt es im Blog-Beitrag „Das Krieger-Ehrenmal“ vom 10. März 2021. Verschwunden aus dem Ortsbild ist auch jene in Sandstein gegossene Zieglerhofbäuerin, die bei der öffentlichen Brunnenanlage beim Zieglerhof (heute: Ziegelhof) so manchen Wanderer und Radfahrer in Verwirrung brachte. Denn das Kernstück der Anlage – eine lebensgroße Figur als Brunnenstock – war der Alt-Bäuerin des Zieglerhofs Erika Griesbaum (geborene Fehrenbacher / Jahrgang 1943) nicht nur nachempfunden, sie wurde auch angemalt worden. So realistisch, dass von Weitem nicht alle gleich erkannten, dass hier keine echte Bäuerin am Brunnentrog steht. Inzwischen wurde die „bunte Bäuerin“ durch eine Bronzefigur ersetzt. Weitere Infos dazu unter den Blog-Beiträgen „Brunnendorf Dörlinbach“ vom 10. April 2021 sowie „Odyssee einer Bäuerin“ ebenfalls vom 10. April 2021.
Veröffentlicht am 17. April 2022 / red
Visuelle Impressionen zur Geschichte:
Das könnte Dir auch gefallen:
Für ein schöneres Dörlinbach
„Das Dorf wird nicht umgekrempelt, es sollen nur markante Punkte in Übereinstimmung mit Eigentümern und Anliegern geändert werden“, so Bernhard Himmelsbach (Jahrgang 1940) im Juni...
Auf Buschs Spuren durch den Ort
Wer nun dachte, dass wir uns auf die Spuren von Wilhelm Busch begehen, der irrt. In diesem Blog-Beitrag geht es nicht um den allseits bekannten...
Die Rathauschefs
Der Ort Dörlinbach gehörte lange Zeit zum Benediktiner-Kloster in Ettenheimmünster. Und zwar bis ins Jahr 1803. Nach der Auflösung des Klosters behielten auch weiterhin Leute...
Die 5. Infanterie- und Jäger- Division
Seit Christi Himmelfahrt 1961 trafen sie sich in Dörlinbach, um ihren Kameraden zu gedenken, um zu erinnern, aber auch um ein Zeichen der Versöhnung zu...
Brunnendorf Dörlinbach
Wie das Thema „Brunnendorf“ auf Wikipedia abgearbeitet wird, ist nicht gerade einladend. Dort heißt es, dass Dörlinbach mitunter als „Das Brunnendorf“ bezeichnet wird. Der Artikel...
Dorfjubiläum im August 1975
Ein denkwürdiges Fest fand in Dörlinbach vom 22. bis 25. August 1975 statt. Die Rede ist von der 750-Jahr-Feier von Dörlinbach. Der Ort war zu...
Volkszählung 1880
Das Buch „Das Großherzogtum Baden“ erschien im Jahre 1885 im J. Bielefeld's Verlag in Karlsruhe. Das Buch, das im Jahre 1968 als photomechanischer Nachdruck vom...
Wie alt ist Dörlinbach wirklich
Das Alter unseres Dorfes haben wir schon einmal kurz in dem Blog-Beitrag „Das Dörlinbacher Wappen“ vom 1. Februar 2021 angerissen. Auch der Heimathistoriker und „Altvater“-Autor...
Eine spannungsgeladene Schulgeschichte
Wann und wo in Dörlinbach erstmals eine Schule eingerichtet wurde, lässt sich nicht mit letzter Sicherheit feststellen, heißt es im Dörlinbacher Heimatbuch zur Schulgeschichte. Vermutlich...
Beerdigungen in früheren Zeiten
Früher war es üblich, dass verstorbene Bürgerinnen und Bürger zu Hause aufgebahrt wurden. Am offenen Sarg wurde von den Toten zu Hause Abschied genommen. Am...
0 Kommentare